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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug
Autoren: Schlink
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Schlag.
    Ich holte aus. »Das Schlimme für dich ist, daß es für Lemke gar nicht nur ums Heimzahlen geht. Wenn er schon beim Auspacken ist, kann er gleich die eigene Haut retten. Wenn er als Kronzeuge aussagt, kriegt er vielleicht nur noch vier bis fünf Jahre. Also was soll’s? Er packt aus und erzählt die ganze Geschichte. Er erzählt sie so, daß du hinter allem steckst. Du hattest die Idee, hast alles ausgetüftelt und durchgeführt. Du hast geschossen, schon in Viernheim und dann in Wieblingen. Du bist es gewesen.«

30
Alles drin
    Er gab auf. Köder, Angebot, Drohung – was immer ich spielen mochte, er traute sich nicht, nicht weiter mitzuspielen. Ans Mitspielen dachte er, nicht ans Aufgeben. Aber mein Spiel mitspielen, hieß seines aufgeben.
    »Du glaubst doch nicht ernsthaft, daß ich Rolf Wendt erschossen habe!« Peschkalek sah mich entsetzt an.
    »Du hast ihn unter Druck gesetzt. Du hast Lemkes Pistole gehabt. Du hast die Zeitung benachrichtigt. Du …«
    »Aber wie …«
    »Wie?« Ich fuhr ihn an. »Du möchtest wissen, wie man’s dir beweisen soll? Du kannst sicher sein, daß die Polizei, wenn sie die Spur hat, auch die Beweise findet und was sie nicht selbst findet, von Lemke erfährt.«
    »Nein, ich meine, wie kann ich ihn umbringen, wenn ich ihn erpressen will?«
    »Das soll doch nicht meine Sorge sein!«
    »Es war ein Unfall. Rolf …«
    »Der Schuß ein Unfall? Komm, Ingo …«
    »Hör mir wenigstens zu, wenn ich schon rede.« Er sah mich an, halb verzweifelt und halb wütend, und ich schwieg. »Ich weiß selbst, daß es verrückt klingt. Rolf und ich hatten gestritten, weil ich die Karte haben und er sie nicht geben wollte und ich gedroht habe, ich werde der Polizei melden, daß er Leo in der Anstalt versteckt hat. Er hat mich gepackt, und ich habe seine Arme weggeschlagen und ihn zurückgestoßen, und dann ist er hinterrücks gestürzt.«
    »Und?«
    »Er blieb liegen. Zuerst habe ich gedacht, er macht einen Witz, und dann, er ist ohnmächtig. Dann war mir auf einmal so seltsam, und ich habe seinen Puls gefühlt. Nichts. Er war tot.« Peschkalek setzte sich in den venezianischen Sessel, legte die Arme auf die Lehnen, hob die Hände und ließ sie fallen. Ich wartete. Mit schiefem Lächeln warf er mir einen kurzen Blick zu. »Ich hatte die Pistole dabei, um ihm Eindruck zu machen, und wo er nun eh tot war … Also hab ich geschossen.«
    »Alles, um deine Geschichte loszukriegen? Du dachtest …«
    »Ich dachte nicht nur. Es hätte auch geklappt, wenn du nicht dazwischengekommen wärst. Dann wäre der Reporter vor der Polizei dagewesen, hätte die kleine Karte gefunden und sich Gedanken gemacht, und ich hätte ihm auf die Sprünge helfen können. Aber auch so ist die Sache in Bewegung und an die Öffentlichkeit gekommen.«
    »Hat Lemke dir die Pistole gegeben?«
    »Der und mir was geben?« Er lachte. »Helmut ist vom Stamm Nimm. Und ich war jahrelang vom Stamm Gib. Ich war stolz, daß ich dabei war, und hab mich herumkommandieren lassen. Die Mädels haben Kaffee machen und Spaghetti kochen müssen, und ich war für elektrische Leitungen, Geräte und Autos zuständig. Deswegen wollte Helmut mich auch dabeihaben, als er in Spanien eine New-Age-Geschichte mit Gruppen und Seminaren und Nacktbaden und heißen Quellen aufgezogen hat. Als es danebenging und er zurückkam, ging’s gerade so weiter. Ich sollte dazugehören – das hieß, ich sollte die Technik organisieren. Aber ich hatte gelernt.«
    Peschkalek hatte gelernt, daß einem nichts geschenkt wird, daß man liegt, wie man sich bettet, und daß einen keiner zudeckt. Das Ganze war Lemkes Idee gewesen.
    »Man muß den Leuten was bieten, war sein Motto. Fußballspiele, Prominentenhochzeiten, Unfälle und Verbrechen – der postmoderne Terrorismus ist ebenso ein Medienereignis und muß ebenso veranstaltet und vermarktet werden wie alles andere.« Um die Marktlücke zu füllen, brauchte Lemke Peschkalek, diesmal nicht nur, weil es bequemer war, sich nicht selbst um die Technik kümmern zu müssen, sondern weil er selbst dazu gar nicht in der Lage war. Er brauchte einen Kameramann. »Aber obwohl er mich brauchte, wollte er nicht halbe-halbe machen, sondern sollte ich nur ein Drittel kriegen. Ich hab mit ihm geredet, aber das hat nichts genützt. Er ist … irgendwie ist schlecht mit ihm reden. Da hab ich mir gesagt: Na warte, meine Stunde kommt noch.«
    Sie kam. Zuerst war das Entsetzen groß. »Der Morgen danach – du machst dir keine Vorstellung.
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