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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)
Autoren: Raphael M. Bonelli
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Schandtat. Also: »Mein Herr, es tut mir jetzt wirklich aufrichtig leid, Ihnen auf die Zehen gestiegen zu sein«, das wird nicht genügen. Sie müssten das formulieren – eventuell nonverbal –, was er wahrgenommen hat: Ihre Bosheit. Das ist schwer. Aber dann ist das Kapitel beendet. Vielleicht schaffen Sie das erst, wenn auch der von Ihrer Ex-Freundin verlassen wird, denn das schmälert Ihren Leidensdruck, da Sie ja dann Schicksalsgenossen sind.
    Schuld und Schuldgefühl
    In weiten Teilen der Psychotherapie sind Schuldgefühle lange mit Pathologie gleichgesetzt worden. Ihren Höhepunkt hat diese Entwicklung in Wien mit Sigmund Freud erreicht, der aufgrund seiner Weltsicht mit Schuld wenig anfangen konnte. Es ist beeindruckend, dass im über tausendseitigen Gesamtregister (Band XVIII) von Freuds 19-bändiger Gesamtausgabe zwar drei Seiten lang die verwendeten Begriffe »Schuldgefühl« und »Schuldbewusstsein« aufgelistet sind, der Begriff »Schuld« hingegen in den Gesammelten Werken Freuds nur in einer Zeile vorkommt: in Bezug auf den Vatermord. Auch im »Ellenberger«, dem Standardwerk für die Geschichte der Psychotherapieforschung, findet man im Stichwortverzeichnis keinen Hinweis auf Schuld, wohl aber jede Menge Hinweise auf Schuldgefühle. Die Schuld selbst wird in der Psychotherapie noch heute oft tabuisiert oder auf ein subjektives Gefühl relativiert. Bis in unsere Tage bieten mehr oder weniger schlaue Ratgeber an, »wie Sie Schuldgefühle überwinden und sich selbst verzeihen können«.
FALL 3: Frau Lisa F., ledig und 39 Jahre alt, kommt in die psychiatrische Praxis, um herauszufinden, wo ihre vielen Schuldgefühle herkommen. Als Beispiel gibt sie an, dass die Ehe ihres (einzigen) 50-jährigen Bruders kürzlich zerbrochen sei und sie sich da Vorwürfe mache: »Warum habe ich nicht erkannt, dass es ihm schlechtgeht? Warum habe ich ihn nicht angesprochen? Ich habe geglaubt, ich bin mitverantwortlich. Vielleicht liegt es an meinem großen Harmoniebedürfnis?« Als Vorgeschichte findet der Psychiater heraus, dass diese Ehe schon einmal kurz vor dem Scheitern gestanden war und sich beide Eheleute damals an sie gewandt hatten. Diesmal sei das aber nicht der Fall gewesen, und der Bruder lebe auch schon mit einer anderen Frau zusammen. Ihm sei der Schritt nicht leichtgefallen, das habe er nicht leichtfertig gemacht.
Der Psychiater fragt, ob Frau F. denn der Meinung sei, dass ihre Intervention etwas an der Situation geändert hätte: »Nein, sicher nicht.« Wo sie dann ihre Schuld sehe? Die Patientin ist erstaunt. In den Folgestunden kann herausgearbeitet werden, dass sie sicher geholfen hätte, wäre sie wie vor einigen Jahren um Hilfe ersucht worden, und dass der Bruder zudem ein eindeutiges Gesprächsangebot vor ein paar Monaten abgelehnt habe. Da sie aber nicht die »Erziehungsberechtigte« der beiden sei, würde sich ihre Verantwortung auch in entsprechenden Grenzen bewegen. Die Patientin entdeckt an sich eine gewisse Überbesorgtheit bis Übergriffigkeit ihrem Bruder und auch ihren Eltern gegenüber, die sie mit ihrer eigenen Partnerlosigkeit und Sehnsucht nach einer heilen Familie in Verbindung bringt. Des Weiteren sieht sie auch eine Tendenz zur Selbstüberschätzung und lernt schließlich, ihre Zuständigkeit und Begrenztheit besser wahrzunehmen.

ANALYSE: In der Therapie war es hilfreich, das (Schuld-)Gefühl rational zu hinterfragen. Erst die Vernunft konnte das Gefühl richtig deuten und damit auflösen.
    Selbstverständlich sieht jeder Psychiater in seiner Praxis auch krankhafte Phänomene, im Rahmen deren sich Patienten dann zu Unrecht schuldig fühlen. Klassische Beispiele, die jeder Nervenarzt kennt, sind etwa Schuldgefühle im Rahmen einer Depression, bei der alles schwarzgesehen und das eigene Handeln in der negativsten Art interpretiert wird. Krankhafte Schuldgefühle kommen auch beim Versündigungswahn vor, bei dem der Patient der Ansicht ist, dass seine – objektiv meist harmlosen – Handlungen unverzeihlich seien und die Höllenstrafe zur Folge haben würden. Neurosen können ebenfalls massive Skrupel erwecken – meist in Form von Zwangsgedanken, die einer psychotherapeutischen und psychopharmakologischen Intervention bedürfen. Auch bei einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung können pathologische Schuldgefühle auftreten, wenn die Schuld in einem Konflikt prinzipiell bei sich selbst und niemals beim anderen gesucht wird.
    Auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet, sind
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