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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)
Autoren: Raphael M. Bonelli
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im Spiel, die Psychotherapeuten auf die Couch gesetzt bekommen. Die meisten suchen nämlich im Grunde therapeutische Hilfe, um verlorene Freiheit zurückzugewinnen. Vordergründig wollen sie dabei unabhängig werden von Ängsten, von Süchten oder von der Meinung anderer. Tiefe innere Freiheit ist hingegen die Folge einer Herzensentscheidung für das Gute und Wahre: Sie bedeutet das Freisein von beengender Ichhaftigkeit, von Machtstreben und Habgier, von Kontrollzwang und Anspruch auf Fehlerlosigkeit im eigenen Leben, von Launen, Verbitterung und Fremdbeschuldigung. Jeder Mensch leidet im Grunde unter seinem Neid, Zorn, seiner Trägheit, Wollust, Habsucht, Völlerei und vor allem seinem Hochmut.
    Freiheit des Herzens bedeutet, wie der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi erkannt hat, nicht nur das Freisein von etwas, sondern auch die Freiheit zu etwas. Freiheit verlangt Richtung und Hingabe, denn wenn sie sich nur selbst genügt, bleibt sie wirkungslos. Hier sind allerdings die Grenzen der Psychotherapie erreicht. Denn sosehr sie dem Klienten auch beim Erkunden seines Handlungsspielraums helfen kann, beantwortet sie doch nicht die Frage, wofür er seine Herzensfreiheit einsetzen soll. Das zielt in die transzendente Dimension und ist Domäne von Philosophie und Religion. Die Psychotherapie kann keine Lebensinhalte bestimmen, keinen Sinn anbieten, sie kann nur – wie Viktor Frankl immer betont – bei der Sinnsuche begleiten.
FALL 41: Der 60-jährige Seelsorger Alfred H. kommt in die Therapie, um sich selbst besser kennenzulernen. Er wolle in seiner Entwicklung weiterkommen. Viele psychologische Bücher habe er zu diesem Zweck gelesen, um sich besser zu verstehen. Ihn interessiere, wie er bei den Menschen ankomme. Das sei in der Seelsorge schon sehr wichtig, dass man die Menschen dort abhole, wo sie seien. Je glaubwürdiger und authentischer seine Persönlichkeit sei, desto besser könne er abholen. Er frage auch häufig nach, wie seine Predigten bei den Leuten ankämen, »denn ich brauche Feedback, um mich weiterzuentwickeln«.

ANALYSE: Die große Entdeckung in der Therapie war für ihn, dass es seine Berufung sei, in der Seelsorge den Menschen zu dienen, statt »belesen zu sein, um zu glänzen« und die Menschen für seine persönliche »Entwicklung« zu benutzen. Hier nochmals das Zitat von Viktor Frankl: »Nur das kranke Auge sieht sich selbst.« Alfred H. ist zu Therapiebeginn in der Ichhaftigkeit gefangen, es gelingt ihm aber, das in der Therapie zu reflektieren und abzulegen.
    Die Wende zum Du
    In einem jüdischen Märchen bittet ein Rabbi Gott einmal darum, den Himmel und die Hölle sehen zu dürfen. Gott erlaubt es ihm und gibt ihm den Propheten Elia als Führer mit. Elia führt den Rabbi zuerst in einen großen Raum, in dessen Mitte auf einem Feuer ein Topf mit einem köstlichen Gericht steht. Rundum sitzen Leute mit langen Löffeln und schöpfen aus dem Topf. Aber die Leute sehen blass, mager und elend aus. Denn die Stiele ihrer Löffel sind viel zu lang, so dass sie das herrliche Essen nicht in den Mund bringen können. Als die Besucher wieder draußen sind, fragt der Rabbi den Propheten, welch ein seltsamer Ort das gewesen sei. »Das war die Hölle«, antwortet Elia und führt den Rabbi anschließend in einen zweiten Raum, der genauso aussieht wie der erste. In der Mitte des Raumes brennt ein Feuer, und dort kocht ein köstliches Essen. Leute sitzen ringsum mit langen Löffeln in der Hand. Aber sie sind alle gut genährt, gesund und glücklich. Sie versuchen nicht, sich selbst zu füttern, sondern benutzen die langen Löffel, um sich gegenseitig zu essen zu geben. »Dieser Raum ist der Himmel!«
    Das schöne jüdische Märchen zeigt die Wende des Herzens, die Entscheidung, endlich über den eigenen Schatten zu springen: Selbstlosigkeit statt Selbstverwirklichung. Altruismus statt Abgrenzen. Das menschliche Herz ist natürlicherweise auf ein Du hin ausgerichtet, auf die anderen, die menschliche Gemeinschaft. Adler spricht vom Gemeinschaftsgefühl, sein Schüler Künkel von der Wirhaftigkeit (im Gegensatz zur Ichhaftigkeit). Weil in diesem Märchen der Bauch – rücksichtslos auf sich selbst bedacht – gierig gefüllt werden will, hungert er in seiner ängstlichen, egozentrischen Kurzfristigkeit. Die Wende des Herzens macht es möglich, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu vergessen und selbstlos auf die Bedürfnisse des anderen zu blicken.
    Der amerikanische Psychoanalytiker Karl Menninger,
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