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Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)

Titel: Selber schuld!: Ein Wegweiser aus seelischen Sackgassen (German Edition)
Autoren: Raphael M. Bonelli
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nicht wirklich als vernünftig bezeichnen). Erst im letzten Moment (und von Valjean nicht selbst herbeigeführt) wird seine Hochherzigkeit vom Schwiegersohn erkannt, der sich gerade noch am Sterbebett entschuldigen kann.
    Der Unterschied zwischen dem Leben Valjeans vor seiner Begegnung mit dem Gottesmann und seinem Leben danach ist durch die Wende seines Herzens gekennzeichnet. Die Herzenswende führt dann mit der Zeit zu einer Wende der Bauchgefühle: Seine Selbstlosigkeit fällt ihm zunehmend leichter und wird von ihm immer mehr verinnerlicht. So kann er mit der Zeit immer höhere Hürden nehmen, bis er sogar aus Liebe verzichten kann. Das größte Opfer, das er bringt, ist seine Liebe zu Cosette. Das würden Aristoteles und Martin Seligman das Wachsen in der »Tugend« nennen: konsekutive emotionale Leichtigkeit im Tun des Guten. Die Gefühlswelt zieht der Herzensentscheidung nach, wie die »emotional forgiveness« nach der »decisional forgiveness« kommt (siehe Kapitel 6). Nicht ichhaftes, selbstisches, letztlich billiges »Mitleid« – wie es der harmlose Leutnant Hofmiller lebt – prägt in der zweiten Hälfte seines Lebens sein Handeln, es ist vielmehr die Fähigkeit, sich selbst mit Freude zu schenken. Aus Liebe verzichten zu können, aus Rücksicht sich selbst zurücknehmen.
    Vor lauter Ich kann die Psychotherapie das Herz – und damit die Langfristigkeit – leicht aus dem Blick verlieren. Sie ist aufgrund ihres Bemühens um die Befindlichkeit immer in Gefahr, zur kurzfristigen Bauchpsychologie zu werden, bei der die Eigenliebe und Selbstverwirklichung nach Paul Vitz zum Goldenen Kalb stilisiert und das Du vergessen wird. Jean Valjean lehrt uns einen erfrischend anderen Weg.
    Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur inneren Freiheit
    Die stimmige Herzenshaltung des Jean Valjean kann für jeden Menschen handlungsrelevant sein. Wenn beispielsweise in einem Partnerschaftskonflikt jeder zur Hälfte recht hat – das ist die Regel, auch wenn die beiden Hälften mitunter verschieden groß sein können –, dann gibt es zwei Möglichkeiten, damit umzugehen.
    Erstens: Jeder konzentriert sich auf das, was der andere besser machen könnte. Bei dieser Option folgt jeder bequem seinem Bauchgefühl, das sich wenig für die eigene und sehr für die fremde Schuld interessiert. Das ist dann der ideale Nährboden für humorlose, verbissene Besserwisserei. Häufig wird im Partnerschaftskonflikt das bemängelte Verhalten des anderen vom eigenen Fehlverhalten reflexhaft ausgelöst, wenn beide vom Bauch gesteuert sind. Dann verteidigt jeder naturgemäß nur mehr seine Interessen, sein Terrain, denn der Bauch kann gar nicht anders als egozentrisch sein, weil Lustmaximierung und Unlustvermeidung seine Kriterien sind. Selbsterkenntnis tut weh und macht deswegen keine Lust. Oft wird in Ehekonflikten auf beiden Seiten nur mehr aus dem Bauch heraus reagiert und damit jeweils die Kontrolle über die eigenen Handlungen und Worte verloren. Damit landen die beiden früher oder später beim Paartherapeuten oder vor dem Scheidungsrichter. Manchmal kann man über die eigene innere Unfreiheit nur staunen. Der Mensch ist blockiert, der Bauch regiert, das Herz ist verstockt: »Ich habe schon so viel getan für die Beziehung, jetzt ist mal der andere an der Reihe.«
    Die zweite Möglichkeit – und diese Option hat Jean Valjean gewählt – ist, dass jeder vor seiner eigenen Türe zu kehren beginnt. Das ist eine anstrengende Funktion des Herzens, die Tapferkeit verlangt und langwierig eingeübt werden muss. Der Herzmuskel braucht Aufbautraining – Einüben in der Tugend. Durch die eigene Herzenswende ändert sich auch oft der überraschte Partner, der die willentliche Abkehr von den irrationalen Bauchreflexen des Ehepartners sehr schnell positiv wahrnimmt. Erinnern Sie sich: Am Anfang wird Valjean von der paradoxen Güte des Bischofs überrascht. Dadurch kommt seine Entwicklung überhaupt erst ins Laufen. Paartherapeuten und Scheidungsrichter hätten massive Einkommensrückschläge zu verzeichnen, wenn Mann und Frau lernen könnten, über den eigenen Schatten zu springen. Denn es ist der Schatten des Bauches, über den sich das Herz in einem Kraftakt hinwegsetzt: »Ich sehe ihre 50 Prozent mit stechender Klarheit, aber, verflixt noch mal, wo sind denn schnell meine 50 Prozent? Mal suchen gehen!« Auch eine Prise selbstkritischer Humor lockert die eigene Verbissenheit auf – und die des Partners übrigens ebenfalls.
    Diese Wende
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