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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit
Autoren: Hayes Joseph
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heutigen Tag per handgemaltem Schild zum Parkplatz deklariert worden war. Den Rest des Weges wollte er laufen, dann kam er schneller voran.
    In der Menschenmenge, geschoben und gestupst, überlegte er, warum er sich nicht noch elender fühlte. Leb wohl, Kimberley. Er wollte nicht den Rest seines Lebens über die Schulter schauen müssen – nach Gespenstern, die einem kranken Geist entsprangen. Leb wohl, und alles Gute, Kimberley. Ich kann nicht einmal weinen. Eines Tages, Kimb, wirst du dich vielleicht so frei fühlen, wie ich jetzt. Ich hoffe es für dich.
    Ich wünsche dir das Beste. Und glaub nicht, daß ich dir nicht dankbar bin. Ohne dich wäre ich heute nicht hier. Auch wenn ich mir die seltsamen Fügungen nicht so recht ausmalen kann. Aber ich bin hier, und du warst der Angelpunkt. Sonst hätte ich mir das Derby nicht zugetraut.
    Als er um die Ecke bog und die zwei Tribünentürmchen erblickte, beschleunigte er den Schritt. Plötzlich war es ihm sehr wichtig, schnell zu den Stallungen zu kommen.
    Nicht, daß es da für ihn viel zu tun gab, um diese Tageszeit. Bis zum Start des achten Rennens waren es noch sechs Stunden. Aber da hinten gehörte er hin, da fühlte er sich zu Hause. Es war ein so gutes Zuhause, wie vieles andere – oder ein besseres. Klar, der Rennsport hatte auch seine Fallgruben und Scheißhaufen und war nicht eine so eindeutige Sache wie ein Bürojob mit geregelter Arbeitszeit und Pensionsanspruch. Aber auch da war nicht alles Gold, was glänzte.
    Als er in seine gewohnte Umgebung eintauchte, spürte er, wie sein Adrenalinspiegel stieg. Die Vergangenheit – Toby, Owen, seine Mutter, Kimberley – lag hinter ihm. Wo sie hingehörte. Und wo sie – verdammt – auch zu bleiben hatte.
    Die Zukunft lag vor ihm – keine öde Leere, sondern ein Raum, der strukturiert und gefüllt werden mußte. Die Zukunft war sein, eine Herausforderung.
    Er kam am Tor zum Stallgebiet an und nickte dem uniformierten Wächter zu. Draußen am Maschendraht drängten sich viele Menschen, die alle einen Blick erhaschen wollten, neugierig und aufgeregt. Ein Stimmengewirr, dann Aufschreie, wenn die Pferde vorbeigaloppierten.
    Wer hatte gesagt: »Mir ist ein Tag auf der Rennbahn lieber als eine Woche sonst wo.«
    Er beschloß, das Derby von der Tribüne an der Gegengeraden anzuschauen, falls er sich rechtzeitig einen Weg dahin bahnen konnte, zwischen dem Aufsitzen und dem Start, während ›My old Kentucky Home‹ gesungen wurde. Falls Kimberley zum Rennen kam, sollte sie ihn nicht in der Nachbarloge sitzen sehen, was sie reizen konnte. Jetzt liegt es an dir, Mädchen, du bist deines Glückes Schmied, mit aller Hilfe, die man dir von außen angedeihen läßt. Krank oder gesund, es liegt letzten Endes in deiner Hand.
    Langsam bemächtigte sich seiner die gewohnte Erregung. Er war ein freier Mann. Endlich. Sein eigener Herr.
    Gebrüll von allen Seiten. Das erste Rennen war zu Ende. Er schaute nicht einmal zum Himmel, als er seinen Schritt beschleunigte. Es würde gewiß nicht regnen.
    Hotspur, nun mußt du eben zeigen, was du auf einer harten Bahn kannst. Es wird dir nicht leicht fallen, aber was fällt im Leben schon leicht. Man kann sich den Boden nicht aussuchen, man muß das Beste draus machen.

12
    Das Derby wurde in jenem Jahr von einem Pferd aus New Mexico gewonnen, Fireaway, der drei volle Längen vor dem Rappen Hotspur einlief. Das Rennen war nicht spektakulär, aber die üblichen Überraschungen fehlten nicht.
    Fireaway war – bei einer Quote von sieben zu eins – fast vom Start an der Spitze und vergrößerte seinen Vorsprung auf der Zielgeraden. Er war nie in Gefahr, außer einmal durch Starbright auf der Gegengeraden, als sein Jockey Herbie Martz ihm die Peitsche zeigte. Aber der Favorit fiel in der Kurve zurück und verlor an Boden, so daß er im Finish nur den fünften Platz erreichte. Fireaways Zeit war fast so hervorragend wie die Secretariats im Jahr 1973.
    Für eine weitere Überraschung sorgte der Fuchs Prescription, dessen Quoten bei fünfundzwanzig zu eins standen, und der als dritter die Ziellinie überquerte, nur einen knappen Kopf hinter Hotspur.
    Auf den weiteren Plätzen Irish Thrall, Fuji Mist, Also Ran und Bonne Fête.
    Ein ungewöhnlicher Zwischenfall ereignete sich in den Logen, als die Nummern der Sieger auf der Tafel aufleuchteten.
    Miß Kimberley Cameron, die inoffizielle Rennprinzessin aus Virginia, verlor die Beherrschung. Nach Zeugenaussagen reagierte sie erst mit
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