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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit
Autoren: Hayes Joseph
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Überdimensionale Emotionen ergießen sich in das Derby, und wie diese Leidenschaften das Leben verändern, wohin sie führen und wie sie schicksalhaft auf die Menschen einwirken, das werden wir kleinen Leute nie erfahren. Was läuft hinter all den glänzenden Fassaden ab? Liebe, Hass, Gewalt, Ehre, Verrücktheit – richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Pferde und lassen Sie es gut sein!
    Das üble Vorzeichen, unter dem das Derby bisher stand, hat sich noch nicht gewandelt. Gestern ist Mrs. Rachel Stoddard, nachdem ihre Stute Miß Mariah das Kentucky Oaks gewonnen hat, friedlich mit der Siegestrophäe in der Hand von uns gegangen. Jetzt sind es nur noch zwei Witwen, die auf ihre Pferde anstoßen, Fireaway und Irish Thrall, und wir werden sehen, welches die Nase vorn hat.
    Allerdings müssen Sie mit Starbright rechnen, auch wenn, wie soeben bestätigt wurde, der berühmte und allseits beliebte Jockey Pepe Benitez, der bisher als einziger in Starbrights Sattel saß, heute nicht wird antreten können. Anscheinend hatte er einen Autounfall, bei dem er zum Glück nur leicht verletzt wurde, wie ich sofort zur Beruhigung seiner Anhänger sagen will. Aber ehe jetzt der eine oder andere vorschnell seinen Wettschein zerreißt, will ich noch eine gute Nachricht loswerden: Herbie Martz, der neue Wunderknabe, der wie ein Engel aussieht und wie ein Teufel reitet, wird auf Starbright sitzen, wenn es an den Start geht. Schauen Sie zu, wie die Quoten sich wieder verändern, aber bedenken Sie, daß bisher nur neunundzwanzig Favoriten das Derby gewonnen haben!
    Von den dreihundertneunzehn Pferden, die im Februar für das Derby genannt wurden, werden nur acht an den Start gehen. Außer Starbright sind das Fireaway – mit sieben zu zwei –, Irish Thrall – mit sechs zu eins und noch fünf andere hoffnungsvolle Bewerber.
    Hotspur, das einzige vom Eigner trainierte Pferd, steht bei zwölf zu eins. Die schlauen Wetter halten sich zurück, denn obwohl der kleine Rappe spektakulär im Trail siegte – trotz oder wegen der Massenkarambolage –, wird er heute auf hartem, trockenem Geläuf erst zeigen müssen, was er kann. Denn nach dem letzten Bericht der Meteorologen ist in einem Umkreis von vierhundert Kilometer keine Regenwolke zu sehen.
    Für Bonne Fête, die anmutige Stute aus Paris, stehen die Quoten zwanzig zu eins.
    Prescription, in Ohio gezogen, steht bei fünfundzwanzig zu eins.
    Die dritte Meldung aus dem Ausland, Fuji Mist aus Japan, steht derzeit bei einunddreißig zu eins.
    Und schließlich das dunkle Pferd – womit keine Beleidigung gemeint ist – Also Ran. Für den Schimmel stehen die Quoten bei vierzig zu eins.
    Jetzt machen Sie keinen Fehler, sondern setzen Sie auf das richtige Pferd, aber bedenken Sie, daß jedes Pferd eine Chance auf den Sieg hat. Ein ausgesuchtes Feld von edlen Vollblütern geht an den Start, die für manche Überraschung sorgen können. Ihr Diener Wyatt wünscht Ihnen, daß es eine angenehme Überraschung sein möge. Und nun viel Vergnügen beim Ereignis des Tages.«
    Auf dem Weg vom Hotel zur Rennbahn fuhr Clay Chalmers den Lieferwagen an den Straßenrand, stieg aus und kotzte. Als er wieder einstieg, fühlte er sich körperlich wie ein ausgewrungenes Handtuch, ebenso im Kopf. Leer und traurig wie nach einem Verlust.
    Ja, es war ein schwerer Verlust. Man konnte doch nicht sieben Jahre voller Hoffnung und Sehnsucht verbringen, um dann zu merken, daß das Ziel der Sehnsucht eine Phantasie war, die in Wirklichkeit nicht existierte, daß es den ersehnten Menschen nicht real gab.
    Clay wußte es schon seit Stunden, er hatte etwas für immer verloren. Ein Teil von ihm war verschwunden. Er hätte es nicht definieren können, aber er wußte, es war unwiederbringlich dahin. Und an seiner Stelle gähnte die Leere.
    Wie lange würde er damit leben müssen? Nicht für ewig, aber es mochte Monate oder Jahre dauern.
    Sein Ohr pulste schmerzlich. Ein Blumenkohlohr würde zu seiner schiefen Nase hervorragend passen. Beides hatte er Owen zu verdanken, aber er wollte ja keinen Schönheitswettbewerb gewinnen. Aber Clay machte nicht der Schmerz im Ohr etwas aus, sondern die Qual in seinem Innern, im Herzen oder der Seele, sofern er eine besaß.
    Nachdem er geduldig Kolonnenverkehr und das Fahren im Schritttempo über sich hatte ergehen lassen – alle Welt wollte heute nur in eine Richtung! –, bog er in eine Seitenstraße ein und parkte für zwanzig Dollar auf dem Rasen eines Hauses, der für den
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