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Seine junge Geliebte

Titel: Seine junge Geliebte
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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Fußboden. Dann wurde die Tür geöffnet.
    »Was wollen Sie – ich …« Axel erstarb das Wort auf den Lippen. Er starrte Peter Sartorius an.
    »Was ist?« ertönte nun auch Bärbels Stimme von innen. Sie erschien an der Tür, hatte einen Mantel übergeworfen und schaute erschrocken Peter Sartorius an. »Du …«
    Die drei Menschen starrten sich gegenseitig an. Niemand wußte, was er sagen sollte. Bis schließlich Peter Sartorius sich umwandte, die Treppen hinunterstürzte und zur Haustür hinauslief.
    Bärbel wollte ihm nachlaufen, aber Axel hielt sie zurück. »Bleib«, fuhr er sie an. »Laß den alten Narren laufen. Das war mein Vater. Ich weiß nicht, was er hier will.«
    »Das ist dein Vater?« Bärbel folgte Axel in das Zimmer. Sie setzte sich auf die Bettkante. Ihr war kalt. Ihr Körper zitterte.
    »Ja, seit Ewigkeiten habe ich von dem Alten nichts mehr gehört. Und jetzt taucht er hier auf und stört uns. Er soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
    »Dein Vater …« Bärbel schaute nicht auf, sie blickte zu Boden, und ihre Stimme klang tonlos: »ist mein Freund.«
    Axel ließ sich neben sie fallen. Er schaute sie verwundert an. »Das ist dein Freund? Das gibt es doch nicht!«
    »Doch. Ich hatte ihn sehr gern. Ich lebte mit ihm. Weil ich niemand hatte. Aber nun …«
    »Bleibt alles in der Familie«, versuchte Axel einen Scherz, den Bärbel aber nicht als einen solchen empfand.
    Er stand auf, ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, dann setzte er sich wieder neben Bärbel. Er legte seinen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. »Vergessen wir das. Das Ganze erinnert mich an eine Geschichte von Pasolini. Hast du jemals ›Teorema‹ gelesen?«
    Bärbel schüttelte den Kopf. »Nein, ich kenne das Buch nicht.«
    »Es handelt von einem Engel, der als Postbote vom Himmel kam. Er wurde in einer Familie aufgenommen – und nacheinander verliebten sich alle in ihn. Und er verführte die ganze Familie – nacheinander: Vater, Mutter, Tochter und Sohn und zum Schluß noch das Dienstmädchen.«
    »Ein Engel?« Bärbel schaute Axel skeptisch an.
    »Ja, Engel sind weder männlich noch weiblich. Deswegen mußte die ganze Familie daran glauben. Ich vermute«, er zog sie an sich, »du scheinst ein solcher Engel zu sein. Komm – vergessen wir alles. Mein Vater sollte sich schämen, ein so junges Mädchen, wie du es bist, in sich verliebt zu machen!«
    »Ihr Herr Vater ist nicht mehr wiedergekommen!« Der Hotelier schaute Bärbel vorwurfsvoll an, als sie am Morgen mit Axel die Treppe herunterkam. »Wissen Sie, ob er das Zimmer behalten will? Er hat im übrigen auch noch nicht bezahlt.«
    »Er ist nicht ihr Vater – er ist mein Vater«, erklärte Axel. »Und ich werde das Zimmer bezahlen. Ich glaube kaum, daß er wiederkommt.«
    »Er ist Ihr Vater?« Die Blicke des Hoteliers verrieten, daß er am Verstand der beiden zu zweifeln begann. »Er hat aber deutlich gesagt, daß Sie seine Tochter seien.«
    »Vielleicht meinte er«, Bärbel lächelte verzerrt, »Schwiegertochter.«
    »Ach so –«, der Hotelier nickte. »Dann verstehe ich. Im übrigen hat er Ihnen Rosen mitgebracht. Die müssen in seinem Zimmer sein. Soll ich sie Ihnen holen?«
    »Lassen Sie nur. Ich hole sie mir selbst. Welches Zimmer hatte er?«
    Der Hotelier reichte Bärbel den Schlüssel. »Auf Ihrem Stockwerk!«
    »Dann wollen wir uns mal die Rosen anschauen.« Bärbel ging zur Treppe.
    Axel blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Laß sie doch da oben vertrocknen! Der Alte hat uns schon genug Ärger bereitet.«
    »Komm –, sei nicht so hart. Wir gehen und holen sie uns und stellen sie in unser Zimmer. Betrachten wir sie doch gewissermaßen als die erste Gabe für deine Vernissage – auch wenn sie unbewußt geschenkt wurde.«
    Zögernd folgte Axel Bärbel. Sie schloß die Tür auf und trat ein. »Sind sie nicht herrlich? Er hat die schönsten Rosen genommen, die es gibt. Du solltest dich mit ihm versöhnen.«
    »Ich würde es schon tun, aber er will ja nicht. Und jetzt wahrscheinlich überhaupt nicht, wo er meint, daß ich ihm seine Freundin weggenommen habe. Er wird sich nie mit mir versöhnen. Aber nun wird es Zeit, daß wir in die Galerie gehen.«
    Bärbel überlegte, dann nahm sie die Rosen und wickelte sie in das Papier, das auf dem Tisch lag. »Ich nehme sie mit. Sie bringen uns vielleicht sogar Glück!«
    Peter Sartorius hatte sich in ein Restaurant im Nordbahnhof zurückgezogen. Er wartete auf den ersten Zug nach Köln.
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