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Seine junge Geliebte

Titel: Seine junge Geliebte
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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maulend auf den Schreibtischstuhl. Nervös spielte er mit den Papieren, die auf der Tischplatte lagen.
    »Meinen Sie, ich habe nicht gesehen, wie Sie die junge Dame angeschaut haben? Ich kenne Sie zu gut und zu lange, um nicht zu wissen, daß Sie sich ein wenig –«, Schwester Angelika suchte nach dem Wort, »verguckt haben.« Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht. Sie trat an Dr. Heidmann heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich muß Sie als ältere Frau doch ein bißchen vor Dummheiten bewahren. Wenn Dr. Bruckner nicht da ist, muß ich es ja wohl tun!«
    Johann Heidmann seufzte komisch auf. »Sie ist aber verdammt hübsch! Ich habe selten eine junge Frau gesehen, die so verführerisch aussieht. Dunkelbraune Haare; Augen von der gleichen Farbe! Und wie die einen ansehen!« Er verdrehte seine Augen zum Himmel und versuchte, alles aufs Komische abzulenken.
    Aber die alte Schwester schüttelte nur den Kopf. »Sie brauchen mich nicht hinters Licht zu führen. Und ich kann es auch begreifen. Diese Frau ist gefährlich. Lassen Sie die Finger davon!«
    »Sie haben recht.« Dr. Heidmann erhob sich wieder, trat ans Fenster und schaute hinaus. »Sie scheint dem Herrn Sartorius auch gefährlich zu sein!« Er wandte sich um und lehnte gegen den Heizkörper. »Ich nehme doch sicherlich an, daß sie seine junge Freundin ist.«
    »Ich bin davon überzeugt«, pflichtete ihm Schwester Angelika bei. »Im Grunde genommen ist es eine Schande, daß ein so hübsches Mädchen sich mit einem so alten –«, sie räusperte sich, und ihre Stimme wurde ernst, »Bock abgibt! Sie könnte seine Tochter, ach was –, seine Enkelin sein!«
    »Man sollte sich ihrer annehmen.« Johann Heidmann ging an den Schreibtisch, setzte sich auf die Tischplatte, zog sich einen Stuhl herbei und stellte die Füße darauf.
    Unter anderen Umständen hätte Schwester Angelika ihn zurechtgewiesen und ihn gebeten, sich vernünftig auf einen Stuhl zu setzen, aber die Unterhaltung schien sie zu reizen: »Wie meinen Sie das, man sollte sich ihrer annehmen?«
    »Nun –«, Dr. Heidmann glitt von der Tischplatte herunter, ging zum Waschbecken in der Ecke des Zimmers und nickte sich selber zu, indem er versuchte, den Blick der Schwester durch den Spiegel aufzufangen. »Ich glaube, ich kann es doch noch mit dem alten Herrn aufnehmen. Meinen Sie nicht auch?« Er wandte sich um und trat dicht an Schwester Angelika heran. »Wenn Sie als Frau sich in jemand verlieben müßten: Würde ich oder jener alte Patient Ihnen besser gefallen?«
    Schwester Angelika schüttelte ein wenig verärgert den Kopf. »So etwas sollten Sie gar nicht fragen. Wenn das junge Mädchen ihn liebt, so ist das seine Sache. Und wenn der Patient nach der Operation einen Teil seiner Falten verloren hat, wird er vielleicht sogar ganz attraktiv aussehen.«
    »Jedenfalls tut mir das arme Mädchen leid.« Er glitt von der Tischplatte herunter, trat hinter den Schreibtisch und setzte sich.
    Schwester Angelika schaute ihn erstaunt an: »Sie bleiben noch hier? Ich denke, Sie wollten gleich nach der Visite in Ihr Zimmer gehen?«
    Dr. Heidmann lächelte, öffnete die Schublade und nahm eine Krankengeschichte hervor. »Ich habe es mir anders überlegt. Ich werde noch ein bißchen arbeiten.«
    »Arbeiten!« Schwester Angelika schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, Sie wollen nur warten, bis die junge Dame zurückkommt. Aber was wollen Sie denn mit ihr machen? Sie doch nicht etwa dem väterlichen Freund abspenstig machen?«
    Dr. Heidmann streckte in gespielt-komischem Entsetzen beide Arme vor. »Ich werde doch ein junges Glück nicht zerstören! Das sei ferne von mir! Aber –«, er schmunzelte, »ich möchte mich nur aus rein psychologischen Gründen mit der jungen Dame unterhalten. Wissen Sie –«, er stand auf und legte der alten Schwester seinen Arm um die Schultern, »mich interessiert so etwas.«
    Schwester Angelika hob mahnend ihren Zeigefinger. »Treiben Sie es nicht zu toll. Wenn Dr. Bruckner etwas erfährt, wird er sehr böse sein.« Sie ging zur Tür und öffnete sie. »Sie wollen wirklich hierbleiben?«
    »Einen Augenblick noch; aber bitte –«, er hob seine Hand, »lassen Sie die Tür auf, wenn Sie hinausgehen. Ich muß schließlich sehen, wenn die junge Dame draußen vorbeigeht.«
    »Warten Sie bitte einen Augenblick.« Die junge Schwester, die die Besucherin zum Krankenzimmer geführt hatte, griff nach der Türklinke. »Ich werde Sie anmelden.«
    »Geht es hier immer so förmlich zu?«
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