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Seidenfpade

Titel: Seidenfpade
Autoren: Ann Maxwell
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tibetisches Dach, auf das wir klet-tern müssen«, entschuldigte er sich, »aber ich will dich trotzdem an meiner Seite haben.«
    Dani schloß die Augen, um nicht an ihren Traum erinnert zu werden, wie er ihr die Hand entgegenstreckte.
    »Dein ... Gelübde«, stammelte sie.
    »Prasam hat mich von meinem Gelübde noch an dem Abend, als er uns zum ersten Mal zusammen sah, losgesprochen«, unterbreitete Shane ihr.
    Nun riß sie die Augen wieder auf. »Wie bitte?«
    »Es ist ein buddhistischer Brauch«, erklärte er. »Gelübde, deren Einhaltung unmöglich wird, kann die Person aufheben, vor der sie ursprünglich abgelegt wurden. Ich legte mein Keuschheitsgelübde vor Prasam ab, und er entband mich davon.«
    »Aber - in Aruba - ich - du - wir haben nicht... ?«
    Mrs. Warren gab auf. Sie schüttelte nur noch den Kopf.
    »Ich bin nicht so weise wie Prasam«, gab Shane zu. »An die drei Jahre habe ich mich gehalten. Dann, auf der Fähre nach Vancouver, wurde mir plötzlich klar, daß es bereits morgen in Tibet war und somit mein Gelübde bereits erfüllt.«
    »Die internationale Datumsgrenze«, sagt Dani verblüfft.
    »Nimmst du noch mal meine Hand und ein neues Versprechen an?« fragte Shane.
    »Aber ich entbinde niemanden von solch einem Gelübde«, sagte Dani, »auch nicht, wenn du mich darum bittest.«
    »Das wird niemals geschehen, Dani. Wenn ich einmal etwas gelobe, halte ich es.«
    Dani konnte sich nicht daran erinnern, einen einzigen Schritt getan zu haben. Jedenfalls lagen sie sich auf einmal gegenseitig in den Armen.
    Nach einigen Augenblicken erhob Prasam Dhamsa das Wort.
    »Er hat ein Geschenk für uns«, übersetzte Shane. »Ein kata.«
    »Was ist das?«
    »Ein traditioneller tibetischer Schal, der mit guten Wünschen gewebt wurde.«
    Sanft drehte Shane Dani herum, so daß sie Dhamsa ansehen konnte.
    Bewundernd schnappte sie nach Luft.
    Der Lama hielt eine ganz außergewöhnliche Seide in Händen. Einst muß sie von so tiefem Indigo gewesen sein wie die Dämmerung. Jetzt wies sie ein leuchtendes Blau auf.
    Zögernd berührte Dani den Stoff, während Cassandra ihn dem Paar um die Schultern legte und es so miteinander verband.
    Der Webrhythmus war Dani ebenso vertraut wie ihr eigener Herzschlag: vor und zurück, Pause, vor und zurück ...
    Die Seide des Buddha ... ?
    Jetzt kam ihr die Farbe viel kräftiger vor, und das Gewebe an mehreren Stellen geflickt. An den Reparaturen gab es zwar nichts auszusetzen, aber sie unterschieden sich dennoch vom ursprünglichen Material. Vor langer Zeit, vor Jahrhunderten vielleicht, hatte jemand weiche, samtige Seidenfransen an den Schal genäht.
    »Wie auch immer - der Weber«, meinte Dani nachdenklich, »ist auf alle Fälle ein und derselbe gewesen!«
    Prasam Dhamsas Lächeln wurde noch überirdischer. Er sagte rasch etwas.
    »Diese Legende stammt nämlich aus Prasams Familie«, dolmetschte Shane, »in der Tat soll einer ihrer Vorfahren die Robe des Buddha gewebt haben. Er bedankt sich bei dir für die neuerliche Bestätigung, daß die ganze Schöpfung eins ist und wir mit ihr.«
    »Aber das kann ich nicht annehmen«, sagte Dani heiser und strich über das Tuch.
    Dhamsa verbeugte sich mit einer kleinen, an Shane gerichteten Ansprache.
    »Prasam ist der letzte seiner Sippe. Er wird bald sterben. Zu wissen, daß er der Hüter eines solchen Schatzes ist, hat ihn sehr belastet. Er möchte, daß wir die Seide behalten: Damit nehmen wir ihm die Last von seinen Schultern und befreien ihn von den letzten Banden, die ihn noch an das Rad von Tod und Wiedergeburt ketten.«
    »Shane?« wisperte sie und forschte in seinen Augen.
    »Alles in Ordnung, Dani! Dhamsa wußte es schon beim ersten Mal, als er mich sah.«
    »Was soll das heißen?« »Er wußte, daß ich nicht zum Mönch ausersehen war. Ich habe ihm nicht geglaubt. Jetzt sehe auch ich, was er gleich erkannte.«
    »Was?«
    »Uns. Ob du mich nun heiratest oder nicht, unser beider Leben sind miteinander verwoben, Dani. Dhamsa hat das durchschaut.«
    Unsicher hauchte sie: »Schicksal, hm?«
    »Wollen wir zusammen ... ?«
    »... gehören?«
    »Wie Pech und Schwefel! Wenn du einverstanden bist.«
    Dani spürte das zarte Gewebe des Schals auf ihren Schultern, die uralte Seide, die die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpfte. Dann hob sie den Kopf und blickte in die Augen ihrer Zukunft - die vor Entzücken strahlten.
    Lachend breitete sie die Arme aus.
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