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Seidenfpade

Titel: Seidenfpade
Autoren: Ann Maxwell
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Seide drinnen so genau wie möglich betrachten konnte, ohne sie tatsächlich zu berühren.
    »Sieht gut aus«, sagte sie einen Moment später. »Aber da ist etwas ...«
    Sie stieß einen frustrierten Laut aus, riß eine Taschenlampe aus einer Wandhalterung und beleuchtete die Kostbarkeit zusätzlich von allen Seiten.
    »Verdammt«, fluchte Dani leise.
    »Was ist los?«
    »Jemand hätte besser zuhören sollen.«
    »Wie meinst du das?« hakte Shane nach.
    »Das Webmuster. Es ist die richtige Technik, aber einfach nicht dieselbe Dichte. Nicht ganz, jedenfalls.«
    »Na und?«
    »Ein Fachmann merkt den Unterschied«, erklärte Dani.
    »Wie schnell?«
    »Was?«
    »Wie viele Leute, außer dir, würden es auf den ersten Blick merken?«
    Dani zögerte, dann schüttelte sie den Kopf. »Wenige! Man hat mir versichert, daß ich ein ausgezeichnetes Auge hätte.«
    »Beide sind umwerfend«, fand Shane, »fielen mir schon in Lhasa auf!«
    »Mein Tastsinn ist sogar noch besser«, sagte Dani, ohne auf ihn einzugehen.
    »Amen!«
    Das Funkeln in seinen Augen verriet Dani, daß er an jene wilden Momente dachte, als alles, was zählte, das Gefühl von Haut an Haut war, ein Verschmelzen, so tief, daß es Dani bis an ihr Lebensende nicht mehr vegäße.
    »Du hörst mir nicht zu«, beschwerte sie sich dann. »Früher oder später - wahrscheinlich eher später - wird man die Seide als Fälschung erkennen. Eine gute zwar, aber trotzdem eine Fälschung.«
    Überraschenderweise freute sich Shane darüber.
    »Das hatte Cassandra gehofft«, sagte er. »Eine gute, jedoch keine großartige Fälschung.«
    »Aber...«
    »Keine Zeit jetzt«, sprach Shane über Danis Worte hinweg. »Ich muß an die Arbeit!«
    Er zog die Vorhänge ein wenig auseinander und überflog Chens Truck.
    Niemand zu sehen.
    Shane zog einen Zündschlüssel aus dem Münztäschchen seiner Jeans und wählte zwei Schraubenzieher aus seiner Werkzeugtasche.
    »Bleib hier«, befahl er. »In ein paar Minuten bin ich wieder da.«
    »Ich geh mit«, verkündete Dani. »Wenn du mit meiner Hilfe auch nur zehn Sekunden einsparst...«
    »Nein«, unterbrach Shane sie. »Jemand muß hier sein, falls Gelmann Alarm schlägt. Außerdem ist es dein Job, schöne Dinge zu bewahren und nicht deinen hübschen Hals für ein Miststück wie Kasatonin zu riskieren.«
    Dani holte tief Luft und wollte schon weiter protestieren; doch dann erkannte sie, daß sie Shane mit jeder Sekunde, die sie ihn aufhielt, noch mehr gefährdete.
    »Beeile dich«, sagte sie erstickt.
    Shanes Kuß war so kurz, daß Dani gar keine Zeit hatte zu reagieren. Dann war er auch schon aus der Tür und ging ruhigen Schritts über das kalte Stahldeck der Fähre.
    »Die Seele eines Poeten und den Mumm eines Taschendiebs«, murmelte sie vor sich hin, als ihr Shanes Worte wieder einfielen. »Beeile dich, verdammt noch mal!«
    Mit einer Gemächlichkeit, die Dani rasend machte, schlenderte Shane zwischen den Wagenreihen hindurch. Ein heftiger, eisiger Wind heulte über den offenen Bug der Fähre. Das Wasser hatte um diese Jahreszeit nicht mehr als fünf, sechs Grad Celsius.
    Shane war froh, daß er nicht zu seinem Ziel schwimmen mußte. Bei der Temperatur würde selbst ein widerstandsfähiger Mann ohne die richtige Ausrüstung binnen kurzem erfrieren.
    Als Shane den Pickup erreichte, hatte er den Wagenschlüssel bereits in der behandschuhten Hand. Er blickte sich unauffällig, aber gründlich um.
    Niemand zu sehen!
    Er betätigte den Schlüssel an der Beifahrerseite. Das Schloß ging mühelos auf, und auch die Tür ließ sich leise öffnen.
    Shane schwang sich federnd hinein, machte die Tür zu und zog die Glaskapsel aus seiner Jacke.
    Ein weiterer Rundumblick überzeugte ihn davon, daß er nach wie vor allein war auf weiter Flur. Er zog den Aschenbecher aus dem Armaturenbrett und tauchte in der Ausbuchtung vor dem Sitz unter. Im Geiste die vorübertickenden Sekunden mitzählend, machte er sich an einem versteckten Aufbewahrungsort im Armaturenbrett zu schaffen.
    In weniger als vierzig Sekunden hatte Shane die drei Schrauben gelöst. Der Deckel des Fachs schwang zur Seite und gab eine erstaunlich große Öffnung frei. Drinnen befand sich ein Glasrohr.
    Eine Ecke azurblauer Seide blitzte ihm verführerisch entgegen.
    Shane zog das Rohr aus seinem Versteck. Korken, Zahnstocher und Silikonpäckchen entsprachen genau der Darstellung des Risk-Limited-Spions. Aber die uralte Seide war in dicken weißen Brokatstoff gewickelt und nicht in die
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