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Seidenfpade

Titel: Seidenfpade
Autoren: Ann Maxwell
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Glasbehältern zu schaffen.
    »Ich sah den Mann, und dann bist du nicht gekommen und -ist er tot?« fragte Dani, die das Opfer jetzt erst bemerkte.
    »Vergiß ihn«, fauchte Shane. »Welches davon ist die echte Seide?«
    Dani bat nicht um mehr Licht. Das Halbdunkel des Wagendecks war ihr bester Schutz. Heftig rieb sie die Fingerspitzen an ihrem Jackenärmel, um sie gleichzeitig zu erwärmen, zu säubern, zu trocknen und zu sensibilisieren.
    Dann schloß sie die Augen.
    Shane verkniff sich die Bemerkung, daß es mit offenen Augen wohl besser ginge. Er wickelte eine Ecke einer Seide aus und hielt sie so, daß Danis Fingerspitzen sie leicht berührten.
    Sie hielt die Luft an, aber nicht aus Angst. Dieses uralte Gewebe wollte sie nicht einfach anpusten, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Ihre Fingerspitzen strichen federleicht darüber, einmal, dann noch einmal, schließlich ein drittes Mal mit etwas mehr Druck.
    »Nein«, sagte sie. »Falsches Webmuster. Eher persisch als indisch oder chinesisch. Aber ich wette, sie ist alt. Sehr, sehr alt. Sollte es eine Fälschung sein, dann eine bessere als unsere ...«
    »Das ist ja wunderbar«, rang Shane sich ab.
    Er hielt ihr die zweite Seide hin.
    Dani rieb sich erneut die Fingerspitzen an ihrer Jacke ab, bevor sie den Stoff berührte. Ganz zart strich sie zuerst in einer, dann in einer anderen Richtung darüber hin. Der ferne, ferne Rhythmus eines antiken Webstuhls drang zu ihr. Sie erlaubte sich ein abermaliges, beinahe sehnsüchtiges Streichen über die uralte Seide, dann hob sie den Kopf.
    Und nickte nur.
    Shane fragte nicht, ob sie sicher war. Er wechselte lediglich die Umhüllungen aus, und zwar so rasch, daß man seinen Bewegungen im Halbdunkel kaum folgen konnte. Die einfache, dicke weiße Seide wurde um das von Dani als echt erkannte Tuch gewickelt. Er steckte es in die Flasche zurück, verkorkte sie und blickte sich um.
    Noch immer keine Menschenseele in Sicht.
    Shane öffnete die Tür, schob Dani aus dem Laster und stopfte den Glaszylinder unter ihre Jacke.
    »Geh zurück zu unserem Fahrzeug. Und komm ja nicht wieder raus, egal was passiert. Hast du verstanden?«
    »Kommst du denn ...«
    »Hau ab!«
    Dani drehte sich um und huschte davon.
    Rasch wickelte Shane den Brokat um die elegante Fälschung, rollte alles zusammen und steckte auch diese wieder zurück in ihren Behälter. Erst nachdem er sie verkorkt hatte, hielt er unschlüssig inne.
    Der gesunde Menschenverstand sagte Shane, sich unverzüglich aus dem Staub zu machen.
    Andererseits ...
    Shane arbeitete rasch und präzise. Als er fertig war, packte er den Steward mit einer Hand bei den Aufschlägen seiner Uniform und fühlte mit der anderen den Puls an seiner Halsschlagader.
    Der Tong war noch am Leben.
    Der Reihe nach versetzte Shane ihm ein paar Ohrfeigen, und bald darauf begann der Mann zu stöhnen. Da tunkte Shane ihn abrupt mit dem Gesicht nach unten auf den Sitz und blickte sich um.
    Das Autodeck war leer - bis auf einen mannsgroßen Schatten, der neben der Treppe zum Passagierdeck lauerte.
    Ich hoffe bloß, das ist Flanders, dachte Shane.
    So oder so, er mußte raus. Und zwar sofort!
    Beherzt kletterte er aus dem Laster, als ob es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre. Ohne den mannsgroßen Schatten aus dem Augenwinkel zu verlieren, schritt er auf die Treppe zu, als wolle er aufs Oberdeck.
    Die Gestalt löste sich aus dem Dämmer.
    »Beeilen Sie sich«, knurrte Flanders. »Ich hab Kasatonin auf dem Lokus gelassen. Er könnte jeden Moment hier antanzen.«
    »Und Gelmann?«
    »Der überwacht Chen. Wollen Sie, daß ich diesen Möchtegern-Steward ein wenig ins Meer tauche?«
    »Er nutzt uns mehr, wenn er am Leben bleibt.«
    »Hageldonnerwetter«, stöhnte Flanders frustriert, »hab ich es doch gewußt!«
    Shane lachte leise und eilte zu ihrer feinen Kiste.
    Einen Augenblick später lag das Deck wieder verlassen da.

33
    Washington D. C.
    Dezember
    Ein neutraler schwarzer Sedan hielt am Gehsteig vor dem Washingtoner Hauptquartier von Risk Limited. Dani warf einen neugierigen Blick vom Wageninnern auf das Herrenhaus.
    Niemand arbeitete im Vorgarten und grub die gefrorene Erde um.
    Kein Mensch fegte den Gehsteig oder pinselte an der Fassade herum oder erledigte sonstige zur Tarnung von Wachpersonal geeignete Arbeiten.
    »Wo sind denn alle?« fragte Dani den Fahrer. »Das letzte Mal, als ich hier war, wimmelte es draußen nur so von Ihren Genossen.«
    »Die Zeiten ändern sich«, meinte
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