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Seidendrachen

Seidendrachen

Titel: Seidendrachen
Autoren: Carol Grayson
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angehört hatte? Verstand er ihre Sprache schon so gut? Dieser Blick erschien ihm irgendwie vorwurfsvoll. Bei dem Gedanken verspürte Jarin ein merkwürdiges Stechen in seiner Herzgegend.
    „Ich… ich würde gern…“, stotterte er vor sich hin, ohne den Pater anzusehen. Stattdessen blickte er Akio hinterher.
    „Was denn nun?“, Simon wurde langsam ungeduldig. Er wollte heute noch aufbrechen!
    „Ich komme mit!“, sagte Jarin fest entschlossen. Es hatte ihn irgendwie Überwindung gekostet.
    „Sehr schön. Geh in den Stall und sattle unsere besten Pferde. Den Esel lass hier. Wir müssen rasch vorwärtskommen. Zum Osterfest möchte ich zurück sein!“, gab der Pater ihm nun Anweisung.
    Jarin nickte nur und eilte davon, um die Reisevorbereitungen zu treffen. Zwei Stunden später waren Jarin und Pater Simon auf dem Weg nach Paris, wo sie zwei Wochen später eintrafen.
    Unterwegs hatten sie auf dem Stroh in den Scheunen geschlafen und einige Bauernleute hatten eine dünne Gemüsesuppe und selbstgebackenes Brot mit ihnen geteilt. Doch es gab auch viele Nächte, in denen sie hungrig zu Bett gegangen waren. Der Schnee hatte sich mittlerweile von den Feldern und Weiden zurückgezogen und hinterließ schlammige Wege und reißende Bäche. Ein deutliches Vorzeichen des nahenden Frühjahrs. Auch die Straßen von Paris waren nicht besser um diese Jahreszeit.
    Jarin hatte noch nie so viele Menschen an einem Ort gesehen. Händler priesen ihre Waren auf dem Markt an und Handwerker ihre Dienste. Es herrschte ein geschäftiges Treiben. Viehhändler feilschten um ihre lebende Ware und so manche Silber- oder Kupfermünze wechselte den Besitzer.
    Die leichten Kutschen des Adels und die schweren Bauernkarren bewegten sich durch die engen Straßen und Gassen wie in Zeitlupe. Das Schnauben der Zugpferde zeigte ihr Unbehagen aufgrund der vorherrschenden Enge und des Gedränges. Auch die beiden Reiter, die sich in Richtung des Palastes bewegten, kamen nur langsam voran. Jarins Herz klopfte vor Aufregung. Ob man sie bis zum König vorlassen würde?
    Der Prior hatte Simon mit einem offiziellen Schreiben an den König ausgestattet und ihm alle Handlungsvollmachten erteilt. Außerdem hatte der Pater das wertvolle Gewand in der Satteltasche mitgenommen.
    Am Eingang zum Palast des Königs wurde ihnen der Zutritt von zwei Wachen verwehrt. Sie kreuzten ihre Hellebarden. Simon zeigte den Männern auf Geheiß das Schreiben des Abtes vor und bat um eine persönliche Audienz.
    „Ich hoffe für Euch, dass dies kein Bettelbrief Eures Klosters ist! Dann könnt Ihr Euch gleich wieder auf den Rückweg machen! Wartet hier“, befahl einer der Gardisten und winkte einen der vor dem Portal wartenden Pagen herbei, um das Schreiben zum König zu bringen. Die beiden müden Reisenden stiegen von den Pferden und fassten sich notgedrungen in Geduld.
    Über eine halbe Stunde ließ man sie warten. Jarin sah sich neugierig um. Jenseits der Palastmauern herrschte reges Leben auf den Straßen. Doch die Menschen hier schienen im Gegensatz zu dem prunkvollen Gebäude vor ihm genauso arm zu sein wie die Mönche seines Klosters. Ein Mädchen in zerlumpten Kleidern mit einem Korb voller Brotlaibe lächelte ihm im Vorübergehen zu. Jarin schaute verlegen zu Boden.
    Endlich öffnete sich das Tor und sie wurden vorgelassen. Einer der Dienstboten band ihre Pferde an eine dafür vorgesehene Halterung an der Palastmauer fest. Durch den mit Brunnen und geometrisch angeordneten Blumenbeeten angelegten parkähnlichen Vorgarten führte der geharkte Weg bis zu den Stufen, die hinauf zum Portal führten.
    Zwei livrierte Diener öffneten die riesige Pforte wie auf ein geheimes Kommando hin und ein Höfling führte die ärmlichen Besucher in den Vorraum zum Audienzzimmer. Hier warteten bereits einige andere Bittsteller, die bei ihrem Eintreten die Nase rümpften. Verächtliche Blicke hinter vorgehaltenen Spitzentaschentüchern beobachteten sie.
    „Mach dir nichts draus“, flüsterte Pater Simon dem Jungen neben sich zu. Jarin nickte nur. Er kam aus dem Staunen angesichts des prunkvollen Palastes gar nicht mehr heraus. Wieder hieß es Warten und nun verging über eine Stunde, bis sich auch für sie die weiß lackierte Tür mit den goldenen Griffen öffnete.
    Dahinter tat sich ein prunkvolles Zimmer auf mit einem übergroßen Schreibtisch als Zentrum, hinter dem ein Wandteppich mit einer Jagdszene hing. Der König und einer seiner Minister warteten auf die Mönche, die von so weit
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