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Seidendrachen

Seidendrachen

Titel: Seidendrachen
Autoren: Carol Grayson
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Gehorchen gelernt hatte. Wenn er essen wollte, musste er die Befehle seines Herrn und Arbeitgebers ausführen. Sonst drohten ihm Prügel. Nur seiner Augenfarbe hatte er es zu verdanken, dass er noch am Leben war. In China galten grüne Augen als glückverheißend.
    Als Jarin mit einem Arm voller Kleidungsstücke wiederkehrte und diese auf einen Stuhl legte, warf er einen verstohlenen Blick auf den Fremden. Akio lag mit geschlossenen Augen im Zuber und genoss das heiße Wasser. Dabei roch er an einem Stück Seife aus Olivenöl und begann, sich damit zu waschen. Jede Bewegung von ihm war dabei weich und fließend.
    Seine Haut glich schimmernder Bronze über der schlanken und geschmeidigen Statur. Tropfen und Schaum perlten daran herunter. Ohne die Augen zu öffnen, fragte Akio plötzlich mit einem leichten Akzent: „Warum du schaust mich an?“ Seine Stimme klang wie ein leichter Singsang.
    Jarin fühlte sich ertappt und blickte weg.
    „Verzeih, ich habe dir neue Kleidung gebracht. Die müsste passen. Deine alte ist nicht mehr zu gebrauchen“, murmelte er entschuldigend. Im Hinausgehen fiel sein Blick auf den Schwamm, der am Boden neben dem Zuber lag. Akio lag immer noch träumend darin, obwohl er nur seinen Hinterkopf sah. Jarin hob den Schwamm auf und berührte Akio damit von hinten vorsichtig an der Schulter. Es schien ihm nicht unangenehm zu sein. Er beugte sich vor und bot Jarin seinen Rücken zum Waschen an. In sanften, kreisen Bewegungen kam dieser der Aufforderung nach. Seine Fingerspitzen glitten dabei wie zufällig mit über die Haut. Es war ein erregendes Gefühl. Weich wie diese Seide, fuhr es ihm durch den Kopf. Was tat er hier eigentlich? Der blonde Jüngling zuckte zusammen und erwachte mit einem Male wie aus einer Art Trance, warf den Schwamm fast zornig in den Zuber, dass das Wasser leicht hochspritzte und verließ eilig den Raum. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Was hatte er sich bloß dabei gedacht? Akio sah ihm lächelnd nach.
     
    *
     
    Drinnen in dem Zimmer war es angenehm warm gewesen. Hier draußen auf dem Gang schlug ihm beißende Kälte entgegen. Ein dichtes Atemwölkchen kam aus seinem Mund und seiner Nase. Jarin zog fröstelnd den grob gewebten Umhang fester um seine Schultern. Er war verwirrt. Nein, er wollte jetzt noch nicht in seine Kammer gehen und sich ebenfalls zur Ruhe begeben. Die eisige Winterluft würde ihn wieder auf den rechten Weg führen und seine Gedanken klären!
    Ziellos lief er durch die nur mit einzelnen Fackeln beleuchteten Klostergänge mit den Rundbögen, die um den großen Innenhof führten. Vorbei an den Kemenaten seiner Mitbrüder. Hinter einigen Türen war ein leises Murmeln zu hören. Hier wurde gebetet. Unter einer anderen schimmerte Kerzenschein hindurch. Von dort drangen lautere Stimmen. Jarin wusste, dass es sich nicht schickte, jemanden zu belauschen, doch seine Neugierde war stärker. Vorsichtig näherte er sich der einfachen Holztür mit dem eisernen Riegel. Das hier war die Stube des Priors. Ganz klar war seine Stimme zu hören. Die andere gehörte Pater Simon, der sich gerade mit dem Klostervorsteher stritt. Es ging um den Jungen, den er mitgebracht hatte, soviel konnte Jarin heraushören.
    „Bruder Laurent hat recht . Wir können keinen unnützen Esser mehr gebrauchen! Die Ernte im letzten Jahr war schlecht und die Vorräte werden knapp. Das Frühjahr lässt auf sich warten. Der Eintopf heute Abend war schon ein Festmahl für uns!“ Das war eindeutig Pater Clement!
    „Aber versteht doch. Wir können sein Geschick zu unseren Gunsten einsetzen. Ich habe Stoffe und Farbpulver mitgebracht. Er weiß sogar, wie man die Farben dafür herstellt“, antwortete Simon. „Ich hoffe nur, dass die richtigen Pflanzen dafür auch hier wachsen“, fügte er besorgt hinzu.
    „Euer Plan gefällt mir nicht, mein lieber Simon. Glaubt Ihr wirklich, der König wird unserem armen Kloster durch diesen Jungen mehr Aufmerksamkeit schenken? In seinen Augen sind wir Bettler, nur als Vermittler gut genug, oder um seinen Beratern den Weg zu neuen Schätzen und Ländern zu ebnen, die er ausbeuten kann.“
    „Und ich sage Euch, dieser Junge ist ein ebensolcher Schatz! Schaut her!“ Jarin konnte durch das Schlüsselloch sehen, wie der Pater vor dem Abt eine Art Tuch ausrollte, das er aus einem seiner seesackähnlichen Gepäckstücke zog. Er hob es hoch.
    Es handelte sich um ein fremdartiges, hauchfeines Gewand mit weiten Ärmeln und einem Stoffgürtel. Alles aus dem gleichen
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