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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe
Autoren: P Mennen
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das Ding interessieren. So schwanger, wie die war, wirft man doch niemanden auf die Straße. Die war völlig runtergekommen, und Geld hat sie auch bald keins mehr gehabt. Ein Glück, dass es Menschen wie mich gibt …« Die Witwe musterte Jella geldgierig. »Ich hatte so einige Auslagen. Was denken Sie denn, was die bei der Geburt für eine Sauerei hinterlassen hat? Wenn Sie wissen wollen, wo die Göre jetzt steckt, sollten Sie sich schon erkenntlich zeigen.«
    Sie streckte ihr ungeniert die Hand entgegen. Jella kramte in ihrer Rocktasche nach der Geldbörse und drückte der Frau einen Geldschein in die Hand. Die schnappte sich das Geld und steckte es eilig ein.
    »Wo sind Mutter und Kind nun?« Endlich würde sie etwas Konkretes erfahren. Die Witwe zuckte gleichgültig mit den Schultern und zeigte an das Ende der Straße.
    »Irgendwo bei den Bastarden wird sie sein«, meinte sie. »Ich hab sie wegschicken müssen. Schließlich bin ich nicht die Wohlfahrt. Am besten, Sie suchen einfach weiter.«
    Ohne ihr die Gelegenheit zu weiteren Fragen zu geben, schlug die Witwe Jella die Tür vor der Nase zu. Nun war sie genauso weit wie noch einige Stunden zuvor.
    Dennoch wollte sie sich nicht unterkriegen lassen. Erst wenn sie jeden Winkel hier durchstöbert hatte, konnte sie sicher sein, dass Sonja nicht mehr hier war. Ohne sich von den misstrauischen und manchmal sogar feindseligen Blicken der einfachen Menschen einschüchtern zu lassen, fragte sie unbeirrt in jedem
Haus nach. Keiner wusste etwas von Sonjas Verbleib. Am Ende der Straße gab es eine Tanzbar, in der es auch käufliche Mädchen gab. In dieser kleinen Lustmeile am Stadtrand hob sich die ansonsten strenge Rassentrennung auf. In dem Etablissement verkehrten sowohl Mischlinge als auch Schwarze und Weiße. Jeder, der bereit war, für gewisse Vergnügungen Geld zu bezahlen, konnte hier alles bekommen. Jella widerstrebte es, gerade dort nach Sonja zu suchen. Dennoch nahm sie sich ein Herz und betrat die schmuddelige, verrauchte Bar, aus der billige Klaviermusik zu hören war. Ein paar ungepflegte Farmer tranken am Tresen Bier. Ansonsten war die Bar bis auf die nur dürftig angezogene Klavierspielerin leer. Jella wartete, bis sie ihr Lied zu Ende gespielt hatte, und trat dann an sie heran.
    »Ich suche diese junge Frau«, begann sie ohne Einleitung. Sie zeigte die Fotografie, die ihr Isabella von Nachtmahr überlassen hatte. »Kennen Sie die?«
    Die Klavierspielerin musterte Jella mit unverhohlener Neugier. Sie war schon weit über dreißig und ihr verlebtes, stark geschminktes Gesicht war wie eine starre Maske. Dennoch konnte Jella an dem kurzen Aufblitzen ihrer Augen erkennen, dass sie etwas wusste. Wieder griff sie in ihre Rocktasche und zückte einen Geldschein.
    »Wenn Sie mir helfen, werde ich gern bezahlen«, versicherte sie. Die Klavierspielerin lächelte höhnisch.
    »Mit den paar Penunzen fangen wir erst gar nicht an«, verhandelte sie hart. »’nen Fuffziger müssen Sie schon springen lassen, wenn ich was sagen soll.«
    »Also wissen Sie was?«
    Die Frau zuckte mit der Schulter. »Wer weiß?«
    Jella hasste solche Spielchen. Leider blieb ihr keine Wahl.
    »Also gut, ich gebe Ihnen das Doppelte, und wenn Ihre Auskunft stimmt, noch mal ’nen Fünfer dazu.«
    Die Klavierspielerin lächelte ironisch. »Du hast das Spiel fast
verstanden. Gib mir jetzt fünfzehn und nachher noch einmal zehn, dann kommen wir zusammen.«
    Jella holte tief Luft. Was die Frau forderte, war unverschämt. Dennoch ging sie auf den Handel ein. Die Klavierspielerin deutete auf eine Tür, die in die Schlafräume der Liebesdamen führte. Ihr wurde ganz beklommen zumute. Die Klavierspielerin sah es und lachte laut. »Nee, die ist noch keine von uns«, beschwichtigte sie. »Das Mädchen hat ’ne Macke, spricht kein Wort. Die ist nur zum Wäschewaschen gut.«
     
    Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis Sonja von Nachtmahr bereit gewesen war, Jella zu begleiten. Als sie die junge Frau endlich in einer Art Hinterhof des Etablissements beim Wäschewaschen gefunden hatte, war sie zutiefst erschrocken. Sonja war abgemagert bis aufs Skelett. Violette Augenringe ließen ihre Augen gespenstisch groß erscheinen. Sie litt an Blutarmut und Mangelernährung und gehörte dringend in ein Bett. Behutsam hatte Jella auf die junge Frau eingeredet und ihr von ihrem Sohn erzählt. Doch Sonja schien das alles nicht zu berühren. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos und in seinem tiefen Leid befangen. Jella kannte
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