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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe
Autoren: P Mennen
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Korb im Zimmer.

    Jella beugte sich neugierig über den Korbrand. Ein Baby von etwa drei Monaten schlief darin. Seine kleinen Händchen waren zu Fäustchen geballt. Tatsächlich hatte der Kleine eine auffallend helle Haut, während Mund und Nase auf seine afrikanische Herkunft hindeuteten. Was Jella aber restlos überzeugte, war der rötliche Glanz in seinen Haaren.
    »Das muss Raffaels Sohn sein«, rief Jella viel zu laut aus. Der Kleine schreckte zusammen und wachte auf. Er drehte sein Köpfchen und sah sie aus erstaunlich blauen Augen an. »Mein Gott, seht nur, er hat die Augen seines Großvaters!« Sie war außer sich. »Keine Frage, das ist mein Neffe! Darf ich mal?« Sie sah Frau Walter fragend an. Die ältere Frau stimmte sofort zu. Vorsichtig nahm Jella den kleinen Kerl auf ihren Arm.
    Er war überhaupt nicht scheu, sondern lächelte sie glücklich an.
    »Wie schlimm muss es nur um Sonja stehen, dass sie das hier getan hat?«, fragte sie erschüttert. Der kleine Kerl hatte schon jetzt ihr Herz gewonnen. Jella spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. »So einen süßen Fratz kann man doch nicht einfach kaltblütig aussetzen.«
    »Ich glaube eher, dass seine Mutter sehr verzweifelt war«, mischte sich Frau Walter ein. »Der Kleine war sauber gewickelt und warm angezogen. Er war, erst kurz bevor ich ankam, dort hingelegt worden. Ich glaube, dass seine Mutter sogar in der Nähe war, um sich zu vergewissern, dass er in die richtigen Hände kam. Glauben Sie mir, ungeliebte Kinder werden ganz anders behandelt.«
    Jella war ihre Reaktion fast peinlich. »Sie haben recht«, gab sie zu. »Sonja ist praktisch mittellos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie hier in der Stadt so ohne Weiteres eine Arbeit bekommen hat, vor allem nicht in ihrem Zustand. Sie muss sehr verzweifelt gewesen sein. Wir müssen sie so schnell wie möglich finden.«

    »Sie ist nicht hier«, sagte Lisbeth. »Ich habe überall nachgefragt. Wahrscheinlich hat sie die Stadt längst verlassen.«
     
    Johannes hielt nichts mehr auf. Er trieb sein Pferd auf dem direkten Weg nach Outjo und von dort aus nordwestlich in Richtung Zessfontein. Etwas weiter nördlich lebten die Himbas. Auf dem scharfen Ritt gönnte er weder seinem Pferd noch sich selbst auch nur die geringste Ruhe. Abends schlief er meist unter freiem Himmel. Nur selten nahm er die Gelegenheit wahr, etwas komfortabler in einer der Farmen oder in den Dörfern der Einheimischen zu übernachten. Innerhalb von zehn Tagen hatte er das Gebiet der Himba erreicht, aber er war müde und von den Anstrengungen der Reise gezeichnet. Schon lange hatte er sich nicht mehr so verausgabt. Sein Alter wurde ihm schmerzlich bewusst. Trotzdem zog er weiter von Onganda zu Onganda und erkundigte sich nach Venomeho vom Clan der Löwen. Erst im vierten Dorf erfuhr er, dass Venomeho längst gestorben war und sein Neffe Wapenga das heilige Feuer hütete. Da die Himbas Halbnomaden waren, war es nicht leicht, die Onganda, in der Wapenga und seine Familie derzeit lebten, aufzuspüren. Weitere vier Tage verstrichen, bis er endlich dort ankam. Wie es der Sitte entsprach, wartete er vor dem umzäunten Kraal der Onganda, bis er hineingebeten wurde. Ein paar Frauen und Kinder, die an einer Wasserstelle die Kühe tränkten, kicherten, als sie den groß gewachsenen alten Mann sahen. Allerdings machte keine von ihnen Anstalten, seine Ankunft in der Onganda zu melden. Johannes sprach nur wenige Brocken Himba. Er ging zu den Frauen hin und versuchte, sich verständlich zu machen. Sie verstanden ihn nicht. Erst als er Sarahs Himbanamen aussprach, merkte eine von ihnen auf und nickte verständig. Sie deutete auf den Kraal und sagte: »Vengape« und dann noch einen Namen, den er nicht verstand. Immerhin schien sie zu begreifen. Sie winkte Johannes mit sich und ging
in die Onganda. Er folgte ihr zögernd. Seine Augen suchten den Otjizero, die heilige Hütte, das heilige Feuer und den Kälberkraal inmitten der Onganda. Er durfte auf keinen Fall diese Linie übertreten, wenn er nicht den Unwillen der Himbas auf sich ziehen wollte. Besuchern war es erst erlaubt, an das heilige Feuer zu treten, wenn der Sippenvorstand ihn dazu einlud. Doch die männlichen Bewohner schienen alle bei ihren Rinderherden zu sein. Während die Frau auf direktem Weg zu einer der mit Kuhmist verputzten Rundhütten ging, machte Johannes den vorgeschriebenen Umweg. Sein Rücken schmerzte von dem langen Ritt und den Anstrengungen. Er fühlte sich ausgelaugt
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