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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen
Autoren: Nora Roberts
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unverzeihlich, wie du Luis im Stich gelassen hast.«
    »Er war doch mit einer anderen zusammen«, protestierte Caroline kleinlaut. »Ich habe sie vor dem Auftritt erwischt – in der Garderobe.«
    »Unsinn! Und selbst wenn, dann hast du das alles nur dir allein zuzuschreiben. So wie du dich in der letzten Zeit hast gehen lassen! Läufst herum wie ein Gespenst, sagst wichtige Interviews ab und gehst plötzlich auf keine Partys mehr. Was habe ich nicht alles für dich getan und das ist der Dank! Du hinterläßt einen Scherbenhaufen nach dem anderen, und ich soll das bei der Presse für dich in Ordnung bringen! Wie stellst du dir das eigentlich vor?«
    »Keine Ahnung.« Es tat gut, die Augen zu schließen und das alles einfach auszusperren. »Es tut mir leid, aber ich kann einfach nicht mehr.«
    Nein, dachte Caroline und schlug die Augen wieder auf. So konnte es nicht mehr weitergehen. Sie konnte nicht mehr erfüllen, was alle von ihr erwarteten. Jetzt nicht. Und auch in Zukunft nie wieder. War sie nun egoistisch, undankbar und total verwöhnt, wie ihre Mutter es ihr ins Gesicht geschleudert hatte?
    Aber all das schien nun nichts mehr zu bedeuten. Hauptsache, sie war jetzt hier. Alleine das zählte.
    In diesem Augenblick wirbelte Tucker Longstreet im ze hn Meilen entfernten Innocence eine gehörige Staubwolke auf und jagte Jed Larssons fettem Beagle Nuisance, der im Schatten der Markise über der Tür zum Gemischtwarenladen auf der Straße gedöst hatte, einen gewaltigen Schrecken ein. Winselnd rappelte sich der alte Hund auf und trottete an einen sichereren Ort.
    Tucker stieg aus und ließ den Autoschlüssel in der Tasche verschwinden. Er wollte die Einkäufe für Delia so schnell wie möglich erledigen, heimbrausen und sich gleich wieder auf der Hängematte ausstrecken. Etwas anderes konnte er sich an einem heißen Tag wie diesem gar nicht vorstellen. Er erspähte den Wagen seiner Schwester, der schräg vor dem Chat ‘N Chew stand und gleich zwei Parkplätze belegte.
    Eigentlich, so sagte er sich, war gegen ein Glas eisgekühlte Limonade nichts einzuwenden. Bei der Gelegenheit konnte er vielleicht auch ein Stück Blaubeertorte mit Eis verdrücken.
    Später sollte Tucker seinen kleinen Umweg noch schwer bereuen.
    Das Chat ‘N Chew war Eigentum der Longstreets. Nicht anders verhielt es sich mit dem Waschsalon, der Pension, dem Supermarkt, dem Jagd- und Waffengeschäft und einem guten Dutzend Wohnhäuser. Die Geschwister waren so klug – oder faul – gewesen und hatten jeweils Geschäftsführer eingesetzt.
    Dwayne, der sich um die Mietshäuser kümmerte, ließ sich an jedem Monatsersten blicken, sammelte die Schecks ein oder hörte sich die Ausreden an und schrieb die Schadensmeldungen und Reparaturwünsche auf.
    Tucker war für die Buchführung zuständig, ob es ihm paßte oder nicht. Einmal hatte er so laut gejammert, daß Josie sich seiner erbarmt hatte. Aber binnen kurzer Zeit hatte sie alles so gründlich durcheinander gebracht, daß Tucker Tage gebraucht hatte, um die Bilanzen wieder zu korrigieren.
    Im Grunde störte ihn diese Arbeit gar nicht übermäßig. Um die Buchhaltung konnte man sich in aller Ruhe am Abend kümmern, wenn es kühler war und man einen kalten Drink neben sich stehen hatte. Es war eine zwar lästige, aber bei seinem Zahlengedächtnis alles andere als schwierige Aufgabe.
    Ins Chat ‘N Chew ging Tucker für sein Leben gern. Die Imbißstube fiel schon von außen durch die breite Fensterfront auf, die von jeher mit Bekanntmachungen für Flohmärkte, Versteigerungen und Theateraufführungen an der hiesigen Schule zugeklebt war.
    Drinnen stachen als erstes die im Laufe der Jahre vergilbten, mit Brandflecken übersäten Bodenfliesen ins Auge. Die roten Resopaltische und -stühle hatte Tucker erst vor einem halben Jahr angeschafft, doch die Farbe verblaßte bereits und wirkte nun eher rosa.
    Jede Nische hatte ihre eigene Jukebox. Für einen Vierteldollar konnten sich die Kunden drei Lieder vorprogrammieren. Weil Earleen Volksmusik bevorzugte, bot die Box ein recht einseitiges Programm an. Glücklicherweise war es Tucker gelungen, ein paar Rock’n Roll-Stücke aus den fünfziger Jahren hineinzuschmuggeln.
    Vor der Theke reihte sich ein Dutzend Barhocker auf, alle mit derselben blaßroten Sitzfläche wie die Stühle. Und an der Wand hinter der Theke hing eine Tafel mit den Angeboten des jeweiligen Tages. Entzückt stellte Tucker fest, daß es heute wirklich Blaubeerkuchen gab.
    Der Handvoll Gäste
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