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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen
Autoren: Nora Roberts
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zerfetzt.
    Ihr Gesicht war leichenblaß. Und die Augen erst! Sie sahen aus wie bei einer Schlafwandlerin, so vollkommen umnebelt und ausdruckslos. Sie ist sofort nach oben gegangen und in die Badewanne gestiegen. Und hat sich geschrubbt, geschrubbt, geschrubbt, bis die Haut überall wund war. Ich sah die Blutergüsse, und mir war alles klar. Ich wußte es einfach. Und weil ich wußte, wohin sie gegangen war, stand für mich auch sofort fest, wer es war.«
    »Du mußt nicht darüber sprechen, Delia«, sagte Caroline, doch Delia schüttelte den Kopf.
    »Ich wollte rüberrennen und ihn umbringen, aber ich konnte sie doch nicht alleine lassen. So hielt ich sie die ganze Zeit in den Armen, während sie in der Badewanne saß und weinte und weinte. Als keine Tränen mehr kamen, sagte sie, daß Mr. Beau nie etwas erfahren dürfe. Er nicht, und auch sonst niemand. Sie hatte Angst, die zwei würden sich gegenseitig umbringen, und da hatte sie sich wohl auch nicht getäuscht. Ich konnte sagen, was ich wollte, die Vorstellung, daß sie schuld sei, ließ sie sich durch nichts ausreden. Dabei hatte es in ihrem Leben außer Mr.
    Beau nie einen anderen Mann gegeben. Als Mädchen war sie sehr schön gewesen. Hin und wieder hatte sie sich wohl auch mit Austin getroffen, aber sie hatte ihm nie und nimmer Hoffnungen gemacht. Daß sie ihn heiraten wollte, das war Austins fixe Idee.«
    »Er hatte kein Recht, ihr so etwas anzutun, Delia. Es war ein Verbrechen. Zweifel an ihrer Unschuld sind vollkommen ausgeschlossen.«
    »Trotzdem quälte sie sich mit Selbstvorwürfen.« Delia wischte sich schniefend die Tränen aus den Augen. »Daß er kein Recht dazu hatte, das sah sie auch. Aber sie glaubte, sie habe ihn irgendwie dazu getrieben. Und dann war sie schwanger. Mr.
    Beau kam als Vater nicht in Frage. In der Zeit, in der sie fruchtbar war, hatte er sich in Richmond aufgehalten. Das Kind konnte also nur von Austin stammen. Jetzt durfte ihr Mann erst recht nichts erfahren. Sie wollte ja auch dem Kind nicht schaden. So versuchte sie nach Möglichkeit, alles zu vergessen, aber sie sorgte sich, noch dazu, weil Josie ein so wildes Kind war. Äußerlich ging Josie ja ganz nach ihrer Mama, wie ihre Brüder auch. Aber weil wir eben wußten, wer ihr Vater war, erkannten wir wohl auch einige von seinen Charakterzügen in ihr.«
    Die sah sie auch, dachte Caroline, doch das behielt sie für sich.
    »Sie sollte es nie erfahren. Und dann hat sie es doch herausgefunden. Wäre sie an dem Tag doch nur zu mir gekommen! Ich hätte ihr sagen können, was ihre Mutter alles für sie getan hat, um sie zu beschützen.« Seufzend betupfte Delia sich die Augen. Mit brüchiger Stimme fuhr sie fort. »Aber sie wußte es, sie wußte es. Hat sie vielleicht deswegen… Oh, mein Kleines, mein armes, armes Kleines.«
    »Du darfst dich nicht grämen.« Caroline tätschelte Delia die Hand. In jener Nacht in Josies dunklem Zimmer war vieles gesagt worden, was für immer dort eingeschlossen bleiben sollte. »Sie war krank, Delia. Mehr wissen wir nicht. Jetzt sind sie alle tot – Josie, ihre Eltern, Austin. Wir können niemanden verurteilen. Wir schulden es den Lebenden, denen, die wir lieben, daß ihr Geheimnis mit ihnen begraben wird.«
    Delia nickte tapfer. »Vielleicht findet Josie so auch eher Ruhe.«
    »Vielleicht auch wir.«
    Caroline hatte gehofft, Tucker würde kommen. Sie hatte ihm Zeit geben wollen, doch obwohl Josie nun schon seit einer Woche unter der Erde lag, hatte sie ihn kaum gesehen, und wenn, dann nie allein.
    Innocence tat sein Bestes, um sich von den schrecklichen Ereignissen zu erholen. Von Susie hatte Caroline erfahren, daß Tucker die Familien der Opfer aufgesucht hatte. Was jeweils hinter geschlossenen Türen gesprochen worden war, ging Außenstehende nichts an, aber sie hoffte, es würde die Wunden heilen helfen.
    Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Die Temperaturen fielen auf ein erträgliches Maß, und das ganze Delta atmete auf.
    Das Wetter lockte zum Spaziergang. Caroline legte Useless die Leine an und zog los. Die Blumen, die ihre Großmutter vor Jahren gepflanzt hatte, standen in voller Pracht. Sie brauchten nur ein bißchen Pflege und Geduld.
    Useless zerrte an der Leine, und Caroline beschleunigte ihre Schritte. Vielleicht spazierten sie heute nach Sweetwater. Einen Versuch war es auf alle Fälle wert.
    Am Ende ihrer Auffahrt erblickte Caroline plötzlich Tuckers Wagen. Der rote Porsche wirkte genauso protzig auf sie wie bei ihrer ersten
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