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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen
Autoren: Nora Roberts
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muß sie der Polizei ausliefern, aber wie soll ich danach weiterleben?«
    Tucker wich zurück. »Du hast sie doch nicht mehr alle.«
    »Wir müssen es tun, Tuck. Sie hatte es auf Sissy abgesehen.«
    »Halt dein Maul!« Blind vor Angst und Wut, drosch Tucker seinem Bruder die Faust ins Gesicht. »Du bist besoffen. Wenn ich noch einmal so was von dir höre, dann…«
    »Mr. Tucker!« Mit weit aufgerissenen Augen tauchte Cy vor ihnen auf. Der Junge war vollkommen verstört. Er hatte alles mitbekommen.
    »Was zum Teufel hast du hier zu suchen?« herrschte ihn Tucker an. »Warum schaust du dir nicht das Feuerwerk an?«
    »Ich… Sie haben mir doch aufgetragen, bei Miss Caroline zu bleiben.« Cy zitterte wieder vor Angst. »Sie ist ins Haus gegangen, aber sie hat mir gesagt, ich solle nicht raufkommen.«
    »Caroline?« sagte Tucker mit ausdrucksloser Stimme.
    Der Kinnhaken hatte Dwayne ernüchtert. Er begriff Cys Worte als erster. Entsetzt packte er Tucker am Hemd. »Josie!
    Sie hat das Messer eingesteckt und ist ins Haus gegangen!«
    Tuckers Atem kam auf einmal stoßweise. Er wollte die Furcht, die sich seiner bemächtigte, niederkämpfen, wollte das Grauen nicht wahrhaben, aber noch während er die Fäuste ballte, sah er bereits die Wahrheit, erkannte er sie in Dwaynes Augen. »Laß mich los!« Mit einer Kraft, wie sie nur die Panik freisetzt, stieß er seinen Bruder zu Boden. »Ich muß Caroline da rausholen.«
    Er rannte los. In seinem Rücken jubelte die Menge, in seinem Nacken saß die Angst mit ihrem entsetzlichen, kalten Atem.
    »Ich werde es dir nicht leicht machen, Josie.« Vor der Pistole fürchtete Caroline sich nicht, wohl aber vor der Stahlklinge.
    Doch gerade jetzt mußte sie gefaßt bleiben. »Du weißt genau, daß es so nicht weitergehen kann. Egal, was du empfindest, egal, was deine Mutter dir angetan hat, durch Morde kannst du es nicht ungeschehen machen.«
    »Ich wollte so sein wie sie, aber die anderen haben immer gesagt, ich gehe nach meinem Vater. Sie hatten recht.« Das sagte Josie in einem sonderbar ruhigen, fast melodiösen Tonfall.
    »Sie wußten gar nicht, wie recht sie hatten, und sie werden es nie erfahren. Es ist und bleibt mein Geheimnis, Caroline. Und um es zu wahren, muß ich dich töten.«
    »Ich weiß. Aber was kommt danach? Dwayne und Tucker werden schrecklich leiden. Dwayne, weil er dein Geheimnis kennt und daran endgültig zerbrechen wird, und Tucker, weil er Gefühle für mich hat. Und weil du sie liebst, wirst du genauso leiden.«
    »Ich habe keine andere Wahl. Jetzt dreh dich endlich um. Du machst es uns beiden doch nur schwer.«
    Das letzte Echo vom Spektakel draußen dröhnte noch in ihren Ohren, da drehte Caroline sich ganz langsam um. Sie wagte nicht, die Augen zu schließen, doch sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Als sie Josie zu etwa drei Vierteln den Rücken gekehrt hatte, fiel ihr Blick auf die Tischlampe. Sie packte sie und schmetterte sie gegen die Wand. Im Schutz der Dunkelheit hechtete sie auf das Bett und ließ sich auf der anderen Seite zu Boden rollen.
    »Das nützt dir überhaupt nichts.« Josies Stimme zitterte vor Aufregung. Ihr Jagdtrieb war geweckt. »Du machst es mir nur leichter, Caro. Ich brauche dich nicht mehr anzusehen und stelle mir einfach eine von den anderen vor.«
    Auf leisen Sohlen huschte Josie über den Teppich. Caroline lugte über den Bettrand und versuchte, den Schatten der anderen zu erkennen. Wenn sie es doch nur zur Tür schaffte! Wenn sie doch nur auf den Gang schleichen könnte!
    »Ich liebe die Dunkelheit.«
    Mit angehaltenem Atem kroch Caroline Zentimeter für Zentimeter fort vom Bett.
    »Bei Dunkelheit macht mir die Jagd den größten Spaß! Daddy hat immer gesagt, ich habe Augen wie ein Luchs. Und ich höre dein Herz schlagen.« Blitzschnell stach sie auf die Stelle ein, wo Caroline soeben noch gekauert hatte.
    Caroline biß sich auf die Lippen, um einen Schrei zu unterdrücken. Sie konnte ihr eigenes Blut schmecken, doch gerade jetzt durfte sie sich nicht bewegen. Allmählich stellten sich ihre Augen auf die Dunkelheit ein. Im blassen Mondlicht erkannte sie nun Josies Silhouette mit dem Todeswerkzeug in der Hand. Sie brauchte nur den Kopf zu drehen, und sie würden einander ins Gesicht sehen.
    Ganz langsam wandte Josie sich nun um. In ihren Augen spiegelte sich das Mondlicht. Ihre Lippen waren zu einem verzerrten Grinsen verzogen. Caroline mußte an Austins Miene denken, als er sich ihr genähert hatte den nackten Wahnsinn in den
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