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Sehen Sie, so stirbt man also

Sehen Sie, so stirbt man also

Titel: Sehen Sie, so stirbt man also
Autoren: Cornelius Hartz
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Ende der Neunziger gab es in Berlin eine Kontroverse darüber, ob man eine Straße nach ihr benennen dürfe. Was man dann auch nicht tat. Nur ein kleiner Platz inmitten des Sony Centers am Potsdamer Platz trägt heute in Berlin ihren Namen.
    Als Marlene Dietrich Anfang siebzig war, wurden ihr in einer langwierigen Operation in den USA mehrere Bypässe gelegt; ein Jahr später brach sie sich erst die Hüfte, danach den Oberschenkelhals. Nach den neuerlichen langen Krankenhaus- und Reha-Aufenthalten entschloss sie sich, ihre Karriere offiziell für beendet zu erklären. Ab Ende der Siebziger verließ sie ihre Wohnung in Paris nur noch selten und zog sich vollkommen aus der Öffentlichkeit zurück. Viele alte Freunde kamen, um sie zu besuchen, sie schickte sie alle fort. Als Billy Wilder in der Stadt war und sie anrief, verleugnete sie sich selbst am Telefon und gab sich als ihr eigenes Zimmermädchen aus. Er durchschaute den Bluff, aber sehen durfte er sie dennoch nicht. Am 6. Mai 1992 verstarb sie in ihrer Pariser Wohnung.
    Woran sie gestorben ist, darüber gibt es verschiedene Aussagen. Der offiziellen Lesart nach war die Todesursache Herz- und Nierenversagen. Ihre Sekretärin seit 1977 und enge Vertraute Norma Bosquet jedoch, einer der wenigen Menschen, die sie am Ende noch zu sich ließ, erklärte später, |138| Marlene Dietrich habe einen Schlaganfall erlitten und sich deshalb ein paar Tage später mit Schlaftabletten das Leben genommen. Ganz abwegig ist dies nicht, bedenkt man, dass sie bereits 15 Jahre zuvor dem öffentlichen Leben den Rücken kehrte, damit die Nachwelt sie als strahlende Diva in Erinnerung behielt und nicht als alte Frau.
    Skandal um Marlenes Rückkehr nach Berlin
    Noch nach ihrem Tod wurde Marlene Dietrich ein Wunsch erfüllt: Nach der großen Trauerfeier in der Pariser Église de la Madeleine mit 3500 Anteilnehmenden wurden ihre sterblichen Überreste nach Berlin überführt und am 16. Mai 1992 auf dem Künstlerfriedhof Berlin-Friedenau beigesetzt. Der schlichte Stein auf ihrem Grab trägt lediglich ihren mit 11 Jahren selbst gewählten Vornamen Marlene, ihr Geburts- und Sterbejahr sowie die Worte des Dichters Theodor Körner: „Hier steh ich an den Marken meiner Tage“.
     
    Natürlich war der Andrang von Presse, Trauernden und Schaulustigen überwältigend, als Marlene Dietrich 10 Tage nach ihrem Tod in Berlin beigesetzt wurde. Dutzende Fernsehteams und hunderte Journalisten aus aller Herren Länder verfolgten, wie ihr Leichnam in einem offenen schwarzen Cadillac zum Friedhof überführt wurde. In einem Sarg, geschmückt mit der amerikanischen Flagge – immerhin war sie US-Staatsbürgerin und seit 1947 Trägerin der Presidential Medal of Freedom. Sie sahen die prominenten Trauergäste wie Hildegard Knef, Maximilian Schell oder Horst Buchholz hinter dem Sarg zum Grab schreiten. Ebenfalls unter den Trauergästen: der Regierende Bürgermeister Berlins, Eberhard Diepgen.
     
    Der CDU-Senat hatte nur wenige Tage vorher verkündet, dass im Deutschen Theater eine große offizielle Trauerfeier für die große Tochter der Stadt stattfinden würde. Nachdem sich jedoch am rechten Rand des Berliner Wählerspektrums laute Stimmen erhoben, die sich gegen eine staatliche Feier zu Ehren der „Verräterin“ aussprachen, sagte der Bürgermeister den Staatsakt kurzerhand wieder ab: Schließlich standen die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen vor der Tür, und die CDU fürchtete um Wählerstimmen.
     
    Nicht nur große Teile der Bevölkerung Berlins empfanden dies als skandalös, und die internationale Presse ging hart mit Diepgen und der Berliner CDU ins Gericht. Erst viele Jahre später, unter der Regierung von Klaus Wowereit, ernannte der Berliner Senat Marlene Dietrich wenigstens noch zur Ehrenbürgerin der Stadt.
     
    |139| Die letzten Worte
    Das Letzte, was die Öffentlichkeit von Marlene Dietrich hörte, waren einige Worte, die sie anlässlich des Falls der Berliner Mauer im Fernsehen übertragen ließ – über das Telefon, ihre einzige Verbindung zur Außenwelt der letzten Jahre. Auch ihre letzten Worte sprach sie über das Telefon, zu dem Briten Michael Thornton, einem ihrer engsten Freunde. Sie rief ihn an und sagte auf Englisch: „Ich gehe jetzt.“ Sie ahnte, dass die Kräfte sie verließen und sie schon bald sterben würde.
    Es gibt auch eine andere Überlieferung, nach der sie, ebenfalls über das Telefon, sagte: „Wir wollten alles, und wir haben es bekommen, nicht wahr?“
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