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Sehen Sie, so stirbt man also

Sehen Sie, so stirbt man also

Titel: Sehen Sie, so stirbt man also
Autoren: Cornelius Hartz
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Verstorbenen mitzuteilen – was bei den spätantiken Märtyrern (angebliche letzte Worte des Hl. Laurentius: „Mir ist dies Feuer eine Kühle“) ebenso der Fall war wie bei Bob Marley (letzte Worte: „Geld kann Leben nicht kaufen“).
    Wer schlau ist, besinnt sich bereits zu Lebzeiten darauf, dass er nach seinem Tod zitiert werden könnte und trifft entsprechende Vorkehrungen, wie sie Mark Twain (angebliche letzte Worte: „Auf Wiedersehen. Falls wir uns treffen“) empfahl: „Ein vornehmer Mann sollte sich mit seinen letzten Worten |9| ebenso viel Mühe geben wie mit seinem letzten Atemzug. Er sollte sie auf einen Zettel schreiben und die Meinung seiner Freunde dazu einholen. Er sollte das nicht bis zur letzten Stunde seines Lebens aufschieben und darauf vertrauen, dass im letzten Moment sein Intellekt beflügelt wird und ihn etwas Geistreiches sagen lässt, wenn er das letzte Mal nach Luft schnappt, so dass er mit Grandezza in die Ewigkeit entschwindet.“ Hätten dies doch einige beherzigt, deren letzte Worte eher schmucklos bis profan wirken – wie Bertolt Brecht (letzte Worte: „Lasst mich in Ruhe!“) oder Luis Buñuel (letzte Worte: „Ich sterbe“).

|10| Sokrates
„Oh Kriton, wir schulden dem Asklepios einen Hahn. Opfert ihm den und unterlasst es nicht.“
    Wahrheitsgehalt: 20 %
    Tätigkeit: Philosoph
    Gestorben: 399 v. Chr. in Athen
    Im Alter von: etwa 70 Jahren
    Todesursache: Hinrichtung
    Letzte Worte im Original: „ὦ Κρίτων, τῷ Ἀσκληπιῷ ὀφείλομεν ἀλεκτρυόνα: ἀλλὰ ἀπόδοτε καὶ μὴ ἀμελήσητε.“
    Quelle: Platon, Phaidon 118a
     
    Sokrates war der größte Philosoph und einflussreichste Denker des Altertums. Der Lehrer Platons machte sich durch seine Unangepasstheit die Machthaber der attischen Demokratie zum Feind. Nach einem berühmt gewordenen Prozess wegen Gottlosigkeit und Jugendgefährdung wurde er durch den Schierlingsbecher hingerichtet.
    Wie starb er?
    Sokrates’ philosophischer Ansatz war davon geprägt, feststehende Gewissheiten zu hinterfragen. Was er theoretisch erörterte, setzte Sokrates auch aktiv um, so dass er sich ein ums andere Mal mit der Obrigkeit anlegte. Und so wurde er 399 v. Chr. angeklagt, den Göttern zu lästern und die Athener Jugend zu verderben. Alle Vorwürfe und Anklagen konnte Sokrates mit geschickten Argumentationen entkräften; dennoch befand der Gerichtshof ihn mit 281 von 501 Stimmen für schuldig. Der Staat beantragte die Todesstrafe, und nach geltendem Recht durfte Sokrates für sich selbst eine alternative Strafe erbitten. Doch anstatt wie erwartet das Exil zu wählen, schlug er vor, dass man ihn öffentlich ehren solle wie einen Olympioniken. Nach dieser provozierenden Rede konnte man fast nicht anders, als die Todesstrafe gegen ihn zu verhängen.
    Viele Freunde besuchten Sokrates in seiner Zelle. Einige wollten ihm zur Flucht verhelfen, aber Sokrates beharrte auf dem Standpunkt, man müsse ein verhängtes Urteil auch befolgen, sonst setze man jegliche Gesetze außer Kraft. |11| Schließlich reichte man ihm einen Becher mit einem Trank aus hochtoxischem Geflecktem Schierling; Sokrates leerte den Becher ungerührt. Der im Schierling enthaltene Giftstoff Coniin verursacht schon ab einer Dosis von einem halben Gramm eine Lähmung des Rückenmarks, die von unten her aufsteigt, bis der Vergiftete schließlich bei vollem Bewusstsein erstickt, durch Atemlähmung. Theorien darüber, warum der Schierlingsbecher im alten Griechenland eine so beliebte Hinrichtungsart war, berufen sich auf den starken Hang der damaligen Gesellschaft zur Ästhetisierung – ein so Hingerichteter ist allemal schöner anzuschauen als einer, dem man den Kopf abgeschlagen hat.
    Die letzten Worte
    Sokrates’ letzte Worte sind in Platons Dialog „Phaidon“ nachzulesen. Wie bei aller antiken Literatur ist die Echtheit dieses Ausspruchs mit Vorsicht zu genießen, aber dennoch spricht einiges dafür, dass er nicht komplett erfunden ist. Zumindest passt es ins Bild: Für einen zu Unrecht der Gottlosigkeit Angeklagten scheint es geradezu zwingend, kurz vor dem Tode noch einmal seine Frömmigkeit zu demonstrieren. Sokrates veranlasste mit seinen letzten Worten eine der heiligsten Handlungen, ein Opfer: „Oh Kriton, wir schulden dem Asklepios einen Hahn. Opfert ihm den und unterlasst es nicht.“
    Asklepios (lat.-dt. Äskulap) war der griechische Gott der Heilkunst. Ihm wie allen anderen Göttern opferte man ein bestimmtes
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