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Sehen Sie, so stirbt man also

Sehen Sie, so stirbt man also

Titel: Sehen Sie, so stirbt man also
Autoren: Cornelius Hartz
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Mund gelegt. Dass Nero sich dies alles nicht ausgesucht hat und zeitlebens versuchte, seine eigenen Bedürfnisse mit der Rolle, die er einzunehmen gezwungen war, in Einklang zu bringen, ist nichts, was für einen antiken Geschichtsschreiber ins Gewicht fallen konnte. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten ist man dazu übergegangen, Nero etwas differenzierter zu betrachten. Dabei war Nero bis zu seinem Tod beim einfachen Volk sehr beliebt. Aber für die Intrigen und Seilschaften der hohen Politik war er nicht geschaffen. Wahrscheinlich sah er sich selbst wirklich nicht als Kaiser, sondern als Künstler. Dass seine letzten Worte eben dieser Überzeugung Ausdruck verliehen, wäre durchaus glaubhaft, wenn diese Legende nicht von einem politischen Gegner in die Welt gesetzt worden wäre.

|22| St. Thomas von Canterbury
„Ich bin bereit, für meinen Herrn zu sterben, damit die Kirche durch mein Blut Frieden und Freiheit erlangt.“
    Wahrheitsgehalt: 40 %
    Voller Name: Thomas Becket
    Tätigkeit: Politiker und Erzbischof
    Gestorben: 29. Dezember 1170 in Canterbury
    Im Alter von: 52 Jahren
    Todesursache: Ermordet
    Letzte Worte im Original: „Ego vero pro Domino meo mori paratus sum, ut ecclesia meo sanguine pacem et libertatem assequatur.“
    Quelle: Edward Grim
    Zitiert nach: Augustin Thierry: History of the Conquest of England by the Normans, 1856, Bd. 2, S. 139
     
    Thomas Becket war ein englischer Priester, der sich erst mit dem König anfreundete, sich dann aber mit ihm komplett überwarf, so dass jener, ohne es zu wollen, veranlasste, dass der Geistliche einem Attentat zum Opfer fiel – mitten in der Kathedrale von Canterbury.
    Wie starb er?
    Als Thomas Becket 1162 Erzbischof von Canterbury und somit höchster kirchlicher Würdenträger der Briten wurde, stand er bereits seit Jahren am englischen Hof in hohem Ansehen – er war König Heinrichs II. engster Berater. Zwischen dem Kirchengelehrten und dem König hatte sich sogar so etwas wie eine Freundschaft entwickelt. Bald jedoch kam es zu Meinungsverschiedenheiten: Heinrich II. wollte gesetzliche Regelungen erlassen, die vorsahen, dass straffällig gewordene Kleriker sich vor einem staatlichen Gericht, nicht nur einem kirchlichen, zu verantworten hätten. Der Erzbischof war strikt dagegen.
    Der Streit eskalierte, und Becket musste England verlassen. Erst nach mehreren Jahren kehrte er aus dem französischen Exil zurück, doch ging der Streit mit dem König bald weiter: Becket begann, seine Gegner innerhalb des Klerus zu exkommunizieren, bis es dem König zu bunt wurde. Gemäß den |23| Aufzeichnungen des zeitgenössischen Chronisten Edward Grim rief der aufgebrachte König: „Was für üble Faulenzer und Verräter habe ich ernährt und aufgezogen in meinem Hause, die es zulassen, dass ihr Herrscher von einem niederen Kleriker mit solch schamloser Verachtung behandelt wird?“
    Ein paar Anwesende fassten dies als Aufforderung auf, den Erzbischof von Canterbury auszuschalten: Die vier Ritter Richard le Breton, Reginald Fitzurse, Hugh de Morville und William de Tracy machten sich sofort auf nach Canterbury, wo sie am 29. Dezember 1170 eintrafen. Der Erzbischof befand sich in der Kathedrale, und die Ritter drangen dort ein und bedrohten ihn mit gezogenem Schwert. Sie wollten ihn zwingen, mitzukommen, zumindest hinaus aus dem Gotteshaus, aber seine aufgebrachten Worte verärgerten die Ritter dermaßen, dass sie dem Erzbischof an Ort und Stelle den Schädel einschlugen; den Schädel, der ihn mit der Tonsur als Geistlichen auswies – gleichsam symbolisch für den Kampf zwischen weltlicher und geistlicher Macht, zu dessen Protagonist Becket sich aufgeschwungen hatte.
    Die letzten Worte
    Schon zweieinhalb Jahre nach seinem Tod wurde Thomas von Canterbury vom Papst in den Kanon der Märtyrer aufgenommen und heiliggesprochen. Canterbury wurde zum Wallfahrtsort, und auch Heinrich II. wandte sich seinem alten Widersacher wieder zu und erklärte St. Thomas von Canterbury zu seinem persönlichen Schutzpatron. „Ich bin bereit, für den Herrn zu sterben, damit die Kirche durch mein Blut Frieden und Freiheit erlangt.“ Solchermaßen (wenngleich natürlich auf Latein) zitiert Edward Grim Beckets letzte Worte, die er ausrief, bevor die Schwerter der Ritter ihm das Leben nahmen – wahrlich einem Heiligen würdige Worte.
    Sicherlich ist dies einerseits durch die Brille des gläubigen Verehrers berichtet (der Becket als „sanctus martyr“, „heiligen Märtyrer“, bezeichnet).
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