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Segeln im Sonnenwind

Segeln im Sonnenwind

Titel: Segeln im Sonnenwind
Autoren: Robert A. Heinlein
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über anderthalb Jahrhunderte hinweg an zahllosen Beispielen überprüft (wobei ich Vorbereitungen für chirurgische Eingriffe sowie Geburten nicht mitrechne). Frauen, die sich unten rasiert hatten, weil es ihnen so besser gefiel, erwiesen sich ausnahmslos als hungrige, gesunde, hemmungslose Hedoni-stinnen.
    Dagmar hatte sich nicht auf einen Eingriff vorbereitet und stand (offensichtlich!) nicht vor einer Geburt. Nein, sie stand im Begriff, sich ausschweifend in Saturnalien zu stürzen: q. e. d.
    Das nahm mich für sie ein. Brian, gesegnet sei seine lüsterne Seele, hätte sie zu schätzen gewußt.
    Inzwischen war sie durch unser Geplauder während der Probenentnahme über die wesentlichen Punkte meiner »Halluzination« auf dem laufenden und wußte demzufolge, daß ich fremd in der Stadt war. Als sie den verdammten Dilatator justierte (ich habe diese Dinger immer verabscheut, obwohl dieser hier körperwarm war und mit der Einfühlsamkeit gehandhabt wurde, wie sie nur eine Frau aufbringen kann, die sich selbst schon in ähnlicher Lage befunden hat)… während sie also noch mit diesem Ding beschäftigt war, stellte ich ihr eine Frage, um mich von dem abzulenken, was sie tat. »Dagmar, erzählen Sie mir von diesem Festival.«
    »La Fiesta de Santa Carolita? Hey, Sie haben sich verkrampft! Seien Sie lieber vorsichtig, Süße, sonst tun Sie sich noch weh.«
    Ich seufzte und versuchte, mich zu entspannen. Santa Carolita ist mein zweites Kind, geboren im Jahr 1902 des gregorianischen Kalenders.

KAPITEL ZWEI
    DER GARTEN EDEN
    Ich erinnere mich an die Erde.
    Ich kannte sie, als sie noch sauber und grün war, die schöne Braut der Menschheit, köstlich, saftig und liebenswert.
    Ich spreche natürlich von meiner eigenen Zeitlinie, mit »zwei« numeriert und mit der Chiffre »Leslie LeCroix« versehen. Die bekanntesten Zeitlinien, die vom Zeitkorps für den Kreis des Ouroboros überwacht werden, waren zum Zeitpunkt meiner Geburt alle noch eins, also im gregorianischen Jahr 1882, nur neun Jahre nach dem Tode Ira Howards. Damals betrug die Erdbevölkerung lediglich anderthalb Milliarden.
    Als ich die Erde nur ein Jahrhundert später verließ, lebten auf ihr über vier Milliarden Menschen, und diese wimmelnde Masse verdoppelte sich alle dreißig Jahre.
    Wer erinnert sich noch an die uralte persische Parabel von den Reiskörnern und dem Schachbrett, auf dem sie auf jedem Feld verdoppelt werden? Vier Milliarden Menschen sind schon ein klein wenig größer als ein Reiskorn; es bleibt sehr bald kein Platz mehr auf dem Schachbrett. Auf einer Zeitlinie schwoll die Erdbevölkerung auf über dreißig Milliarden an, ehe die abschließende Katastrophe hereinbrach; auf anderen Zeitlinien kam das Ende bei weniger als zehn Milliarden. Auf allen jedoch lachte Dr. Malthus als letzter.
    Es wäre unnütz, über den Leichnam der Erde zu trauern, und so albern, als weine man über einen leeren Kokon, nachdem der Schmetterling davongeflattert ist. Ich bin allerdings unheilbar sentimental und werde stets betrauern, wie die alte Heimat des Menschen heute aussieht.
    Ich hatte eine wunderbar glückliche Kindheit.
    Ich lebte nicht nur zu einer Zeit auf der Erde, als sie noch jung und schön war, sondern hatte obendrein das Glück, in einem ihrer lieblichsten Gärten geboren zu werden, nämlich dem südlichen Missouri, bevor Menschen und Bulldozer die grünen Hügel dort verwüsteten.
    Und außer dem glücklichen Zufall, an einem solchen Ort geboren zu werden, wurde mir die besondere Gunst zuteil, die Tochter meines Vaters zu sein.
    Als ich noch ganz klein war, sagte er einmal zu mir. »Meine geliebte Tochter, du bist ein unmoralisches kleines Luder. Ich weiß das, weil du nach mir schlägst und sich deine Gedanken auf denselben Bahnen bewegen wie meine. Wenn du nicht an deiner Unzulänglichkeit zugrunde gehen möchtest, mußt du für dich selbst einen praktikablen Verhaltenskodex entwickeln und ihn einhalten.«
    Ich dachte über seine Worte nach und fühlte mich warm und wohl. »Unmoralisches kleines Luder…« Vater kannte mich ja so gut!
    »Welchem Kodex soll ich denn folgen, Vater?«
    »Du mußt dir selbst einen aussuchen.«
    »Die Zehn Gebote?«
    »Du solltest klüger sein! Die zehn Gebote taugen nur für Schwachköpfe. Die ersten fünf dienen allein dem Wohl der Priester und der Herrschenden. Bei den zweiten fünf handelt es sich um Halbwahrheiten, die weder vollständig noch adäquat sind.«
    »Okay, dann erzähle mir was über die zweiten fünf!
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