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Segeln im Sonnenwind

Segeln im Sonnenwind

Titel: Segeln im Sonnenwind
Autoren: Robert A. Heinlein
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Abendessen um sechs. Immer, wenn sich Vater aufgrund seiner ärztlichen Praxis genötigt sah, zu anderen Zeiten zu essen, unterrichtete er Mutter vorher, falls möglich. Die übrige Familie setzte sich jedoch zu den angegebenen Zeiten zu Tisch.
    Wenn Vater anwesend war, hielt er für Mutter den Stuhl bereit. Sie bedankte sich bei ihm. Er setzte sich, und wir anderen folgten seinem Beispiel. Morgens, mittags und abends sprach er das Tischgebet. In seiner Abwesenheit hielt mein Bruder Edward den Stuhl für Mutter bereit, und sie sprach das Tischgebet. Es kam auch vor, daß sie letzteres einem von uns Kindern auftrug – aus Gründen der Übung. Anschließend speisten wir, und ungebührliches Betragen bei Tisch zählte kaum weniger als Hochverrat. Wenn wir Kinder mit dem Essen fertig waren, brauchten wir allerdings nicht unruhig auf den Stühlen herumzurutschen und darauf zu warten, daß auch die Erwachsenen fertig wurden, sondern konnten um Erlaubnis bitten, vorzeitig aufzustehen. Man durfte dann jedoch nicht zurückkommen, selbst wenn man entdeckte, daß man einen furchtbaren Fehler gemacht hatte – zum Beispiel, wenn es Nachtisch gab. In einem solchen Fall gab Mutter allerdings auch schon mal nach und gestattete es einem, den Nachtisch in der Küche zu essen, vorausgesetzt, man hatte nicht gequengelt oder gejammert.
    An dem Tag, als meine älteste Schwester Audrey auf die High School kam, ergänzte Vater das Protokoll: Er hielt Mutter wie üblich den Stuhl. Sobald sie sich gesetzt hatte, sagte sie: »Danke, Doktor.« Dann hielt Edward, der zwei Jahre älter als Audrey war, den Stuhl für seine Schwester, und sie setzte sich kurz nach Mutter. Mutter fragte: »Was sagt man, Audrey?«
    »Ich habe es gesagt, Mama.«
    »Ja, das hat sie, Mutter.«
    »Ich habe es nicht gehört.«
    »Danke, Eddie.«
    »Aber gerne, Aud.«
    Dann setzten wir anderen uns.
    Jedesmal, wenn eines der Mädchen auf die High School kam, wurde der älteste greifbare Junge ebenfalls für die Zeremonie verpflichtet.
    Sonntags fand das Mittagessen um eins statt, weil alle außer Vater in die Sonntagsschule gingen und alle einschließlich Vater den morgendlichen Gottesdienst besuchten.
    Vater blieb der Küche fern. Mutter betrat niemals Praxis oder Operationszimmer, nicht mal zum Saubermachen. Das Saubermachen wurde von einer Putzhilfe gegen Bezahlung erledigt oder von einer meiner Schwestern oder (sobald ich alt genug war) von mir.
    Nach ungeschriebenen, niemals gebrochenen Gesetzen lebten meine Eltern in Frieden miteinander. Ich denke, ihre Freunde hielten sie für das ideale Paar und ihren Nachwuchs für »diese netten Johnsonkinder«.
    Ich glaube, wir waren wirklich eine glückliche Familie, alle neun Kinder und unsere Eltern. Und niemand sollte denken, daß wir, die unter einer solch strikten Disziplin lebten, etwa keinen Spaß gehabt hätten! Wir hatten jede Menge Spaß, sowohl zu Hause als auch unterwegs.
    Meist sorgten wir selbst dafür. Ich kann mich an eine Zeit erinnern – es muß viele Jahre später gewesen sein –, in der amerikanische Kinder sich ohne ein Vermögen an elektrischer und elektronischer Ausrüstung anscheinend gar nicht mehr amüsieren konnten. Wir dagegen hatten weder tolle Sachen, noch vermißten wir sie. Damals, so um 1890, hatte Mr. Edison gerade das elektrische Licht erfunden und Professor Bell das Telefon, aber diese modernen Wunder hatten noch nicht den Weg nach Thebes in Lyle County, Missouri, gefunden. Und was elektronische Spielsachen anging – der Begriff »Elektron« mußte erst noch geprägt werden. Meine Brüder besaßen jedoch Schlitten und Wagen, und wir Mädchen hatten Puppen und Spielzeugnähmaschinen, und gemeinsam verfügten wir über viele häusliche Gesellschaftsspiele wie Domino und Dame und Schach und Jackstraws und Lotto und Pigs-in-clover und Anagramme…
    Wir spielten auch Spiele im Freien, die keine oder nur wenig Ausrüstung erforderten, darunter eine Variation von Baseball, die wir »Scrub« nannten und die von drei bis achtzehn Spielern gespielt werden konnte, ergänzt durch die freiwilligen Bemühungen von Hunden, Katzen und einer Ziege.
    Wir hatten noch mehr Tiere zu Hause: ein bis vier Pferde, je nach Jahr, eine Guernsey-Kuh namens Clytemnestra, Hühner (meist Rhode Island Reds), Perlhühner, Enten (weiß und zahm), hin und wieder Kaninchen und auch mal für eine Saison eine Sau namens Gumdrop. Vater verkaufte sie, sobald klar wurde, daß wir nicht bereit waren, ein Schwein zu essen, bei
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