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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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Fremdeinwirkung gefunden haben.«
    »Nein, Fremdeinwirkung können wir wohl ausschließen. Nach meinem Dafürhalten ist der Mann den Verletzungen erlegen, die er sich beim Sturz aus dem zweiten Stock zugezogen hat. An einer Fraktur des Dens axis, auf gut Deutsch: Genickbruch. Er muss sofort tot gewesen sein.«
    »Wann war das ungefähr?«
    »Zwischen sieben Uhr dreißig und acht Uhr dreißig, würde ich sagen. Wenn Sie es ganz genau wissen wollen, müssen Sie eine Obduktion veranlassen.«
    Wolf winkte ab. »Dafür gibt es im Augenblick keinen Grund.« Er wandte sich an Jo. »Frau Petöfi hat den Toten gefunden, sagtest du?«
    Jo nickte. »Sie ist, wie jeden Samstag, um kurz vor neun hier eingetroffen und hat die Wohnung mit ihrem eigenen Schlüssel aufgeschlossen. Dabei ist ihr nichts Ungewöhnliches aufgefallen, außer vielleicht, dass sie Hauschild entgegen seiner Zusage nicht angetroffen hat. Sie hat sich nichts weiter dabei gedacht und mit ihrer Arbeit begonnen. Irgendwann ging sie auf die Terrasse hinaus, um einen Lappen auszuschütteln. Da sah sie die umgestürzte Leiter. Sie hat gleich geahnt, dass etwas nicht stimmt. Als sie Hauschild unten liegen sah, ohne dass er sich regte, wählte sie die Notrufnummer. Mehr war nicht aus ihr herauszubekommen.«
    »Das heißt, sie ist nicht nach unten gegangen?«
    »Sie hat sich nicht getraut, sagt sie.«
    Vor dem Haus hupte ein Auto. »Das wird der Wagen sein, der Frau Petöfi abholt. Ich begleite sie nach unten«, sagte der Doc und verabschiedete sich.
    »Und jetzt?«, fragte Jo, als sie allein waren.
    »Ich würde sagen, wir lassen sicherheitshalber mal einen Kollegen von der Spusi kommen. Er soll sich das ansehen und ein paar Bilder machen. Dann lässt du Hauschild abholen und versiegelst die Wohnung. Den Staatsanwalt können wir nach Lage der Dinge wohl außen vor lassen. Alsdann, Mädchen, wir sehen uns am Montag.« Wolf wandte sich zum Gehen und hatte sich bereits einige Schritte entfernt, als ihm noch etwas einfiel. »Habt ihr eigentlich Hauschilds Handy gefunden oder ein Notebook?« Als Jo den Kopf schüttelte, murmelte er nachdenklich: »Kein Handy, kein Notebook, und das in der Wohnung eines Bankers … Kommt mir irgendwie spanisch vor.«
    Als er beim Durchqueren des Wohnraums erneut den Großbildschirm passierte, fiel ihm das unbestimmte Gefühl von vorhin wieder ein. Was war es bloß, das er übersehen hatte? Sosehr er sich darüber auch den Kopf zerbrach, es wollte ihm keine schlüssige Antwort einfallen. Also verließ er die Wohnung und schlug den Weg Richtung Innenstadt ein. Langsam fiel die Anspannung von ihm ab. Immerhin hatten sie, nachdem sich der Tod dieses Hauschild als ein bedauerlicher Unfall herausgestellt hatte, keinen neuen Fall am Hals. Das hätte ihm gerade noch gefehlt. Sie waren mit dem Mord an dem Barmann schon genug gefordert.

4
    Die Nußdorfer hatten es mit den Süßwasserfischen, zumindest, was die Namen ihrer Straßen betraf. Man wohnte »Zur Trüsche«, »Zum Saibling« oder »Zum Salm« – Adressen, bei deren Nennung sich Marsberg genießerisch die Lippen leckte. Was mochte die Stadtoberen zu dieser ausgefallenen Lösung bewogen haben? War sie Teil eines raffinierten Marketingkonzepts? Schließlich lebte auch Nußdorf zu einem guten Teil vom Fremdenverkehr. Marsberg hatte darauf keine schlüssige Antwort parat.
    Jedenfalls schien ihm das Konzept nicht ohne Risiko. Was, wenn der Vorrat an Namen von Süßwasserfischen eines schönen Tages aufgebraucht war? Müsste der Neubau von Straßen dann nicht eingestellt werden – »per Order di Mufti« sozusagen? Oder würden die Nußdorfer über ihren Schatten springen und den Fischen eine weitere Gattung hinzufügen … Apfelsorten etwa oder Schmetterlinge? Bis dahin würde es allerdings noch ein Weilchen dauern.
    Jetzt musste er sich erst mal um Leo kümmern.
    Der wohnte, seit Marsberg denken konnte, in der Straße Zum Hecht, hoch oben unterm Dach eines Fünfparteienhauses. Vor dem Eingang stellte Marsberg seinen Wagen ab und sah auf die Uhr: Viertel nach sechs – er war eine Viertelstunde zu früh. Das hatte man davon, wenn man sich von seinem knurrenden Magen das Tempo diktieren ließ. Leo würde ihm deswegen allerdings bestimmt nicht böse sein; auch er konnte der Verlockung eines Zanderfilets mit in Butter geschwenkten Petersilkartoffeln nur schwer widerstehen.
    Aufgeräumt drückte er die Klingeltaste mit der Aufschrift »Wolf«. Zu seiner nicht geringen Überraschung blieben
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