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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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Gegenteil.
    »Wo bleiben Sie denn, Chef? Ich bin hier draußen auf der Terrasse.«
    Wolf riss sich los und durchquerte den Raum, als er erneut den Schritt verhielt. Irgendetwas hatte im Vorübergehen seine Aufmerksamkeit erregt. Der Großbildschirm, über den stumm eine Doku-Soap flimmerte? Merkwürdig genug, doch sein Unterbewusstsein war über etwas anderes gestolpert – aber was? Er kam nicht drauf. Um Jo nicht länger warten zu lassen, setzte er sich wieder in Bewegung. Es würde ihm schon noch einfallen.
    Jo stand vorne an der Brüstung, den Blick auf eine umgekippte Alu-Stehleiter gerichtet. »Hier hat das Unglück vermutlich seinen Lauf genommen«, erklärte sie, als sie ihn bemerkte. Dann wies sie auf ein nahe stehendes Tischchen, auf dem ein halb leerer Sektkelch stand. Ein Schraubenzieher auf dem Boden sowie ein mehrere Meter langes Kabel, in gleichmäßigen Abständen mit elektrischen Birnchen bestückt, vervollständigten das Bild. Den Rest konnte sich Wolf leicht zusammenreimen: Zum Aufhängen der Lichtgirlande war Hauschild auf die Leiter geklettert, die vermutlich infolge einer Unachtsamkeit umkippte, worauf er den Halt verlor und über die Brüstung nach unten stürzte. Möglicherweise hatte Alkohol dabei eine Rolle gespielt, doch das war schwer zu sagen.
    Wolf fischte eine Gitanes aus der Packung und steckte sie an, bevor er mit nachdenklicher Miene das Stillleben umrundete.
    »Und, wie ist Ihre Meinung, Chef?«
    Wolf antwortete nicht sofort. »Sagtest du bei deinem Anruf nicht was von Suizid?«
    »Ich habe nur weitergegeben, was wir gemeldet bekamen.«
    An der Brüstung blieb Wolf stehen und sah über den See. »Also nein, dieses Dingelsdorf da drüben, wie aus dem Modellbaukasten«, schwärmte er und wies auf einen der Orte am gegenüberliegenden Ufer.
    Nun konnte Jo nicht mehr länger an sich halten. »Jetzt lassen Sie doch das blöde Dingelsdorf«, erwiderte sie scharf. »Sagen Sie mir lieber, was Sie von dem Arrangement hier halten.«
    Doch Wolf ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er beugte sich weit über die Balustrade, mit der freien Hand sein Barett festhaltend. Unter ihm, in direkter Falllinie, erkannte er Hauschilds Leichnam. Zufrieden grunzend richtete er sich wieder auf. »Suizid können wir jedenfalls ausschließen«, erklärte er, »da sind wir uns wohl einig. Wenn du mich fragst, handelt es sich um einen ganz gewöhnlichen häuslichen Unfall. Oder siehst du irgendwelche Verdachtsmomente, die die Einleitung von Ermittlungen rechtfertigen würden?«
    Jo schüttelte den hübschen Kopf, dass die schwarzen Locken nur so flogen.
    Zwischen Wolfs Augen hatte sich eine steile Falte gebildet. »Demnach habe ich meinen Ausflug nach Friedrichshafen umsonst abgebrochen.«
    Diesen Vorwurf wollte Jo nicht auf sich sitzen lassen. »Tut mir leid, Chef, aber daran sind Sie selbst schuld. Als ich sah, was hier los war, wollte ich Sie gleich unterrichten, doch Sie waren nicht erreichbar. Vermutlich ist mal wieder Ihr Akku leer.«
    »Nun mal langsam, den habe ich vorgestern erst aufgeladen«, maulte Wolf und holte sein Handy hervor. Nach einem prüfenden Blick auf das unbeleuchtete Display schaltete er es ein. Dann steckte er es wortlos zurück in die Tasche, um nach kurzem Räuspern kleinlaut einzulenken: »Wir haben die Dinger im Zeppelin ausschalten müssen, und später hab ich nicht mehr dran gedacht. Entschuldige bitte.« Übergangslos fuhr er fort: »Nur der Ordnung halber: Was ist mit Zeugen?«
    »Zwei Kollegen sind gerade dabei, die Nachbarn zu befragen.«
    »Gut. Und was ist mit dem Notarzt, ist er noch hier?«
    »Ich vermute, er ist oben bei der Putzfrau. Kommen Sie. Ich bringe Sie hin.«
    Frau Petöfi erwies sich als etwas pummelige Mittvierzigerin in einer blauen Schürze. Zusammengesunken saß sie auf einem Stuhl, der Notarzt auf einem zweiten ihr gegenüber. Bei ihrem Eintreten erhob sich der Arzt. Jo machte ihn und Wolf miteinander bekannt.
    »Wie geht es Frau Petöfi?«, wollte Wolf wissen.
    »Geht so«, antwortete der Arzt. »Ich hab ihr was zur Beruhigung gegeben, sie ist schwer traumatisiert. Deshalb sollten Sie im Moment von einer Befragung absehen.«
    »Die Aussage von Frau Petöfi hab ich, Chef. Sie wohnt übrigens ganz in der Nähe, auf der anderen Seite der Bahnlinie«, warf Jo ein.
    »Gut. Würden Sie das Ergebnis Ihrer Untersuchung kurz für mich zusammenfassen, Doc? Ich meine die Untersuchung des Unfallopfers. Vor allem interessiert mich, ob Sie Anzeichen von
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