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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume
Autoren: Ilona Andrews
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und gedacht, wie gut er doch aussah und wie gerne sie mit ihm Kinder gehabt hätte, während er vermutlich schon die Bedingungen der Annullierung im Kopf gewälzt hatte. Das Schriftstück war sicher von einem Anwalt aufgesetzt worden, was eine Weile dauerte. Elvei musste sich schon seit Tagen auf diesen Moment vorbereitet haben. Ihr Verstand hatte Mühe zu glauben, dass er so kaltblütig sein konnte.
    Sie verdrängte diese Gedanken und konzentrierte sich stattdessen auf die Wiederherstellung der durch sie verursachten Wunden an Elveis Hals. Einen Augenblick später waren die inneren Verletzungen verheilt. Sie ließ ihn los und wischte sich die Hand an der Tischdecke ab.
    »Du kannst jetzt gehen. Deine Sachen werden dir zugeschickt, sobald die Stiftung mich davon in Kenntnis setzt, dass deine Zahlung dort eingegangen ist.«
    Er sprang auf und lief davon. Sie blieb allein auf der Terrasse eines Hauses zurück, das sich nicht länger wie ihr Zuhause anfühlte, und fragte sich, was sie nun anfangen sollte. Zuckend ringelte sich der düstere Machtstrom um sie. Sie spürte seinen Hunger, die stumme Aufforderung. Er verlangte nach Nahrung.
    Endlich ergaben die unablässigen Lektionen und Unterweisungen einen Sinn. Ihre Lehrer hatten ihr beigebracht, dass die Verwendung ihrer Gabe zu bösen Zwecken süchtig machte, hatten ihr aber nicht verraten, warum. Ihrem Exgatten wehzutun hatte ihr Vergnügen bereitet. Und sie wollte es wieder tun.
    Werde kein Gräuel, Charlotte
.
    Es gab keine Ausnahme von dieser Regel. Der dunkle Zauber würde erneut über die Ufer treten, und das Vergnügen, das damit einherging, würde sie verschlingen. Sie war der düsteren Verlockung einmal bis in den undenkbaren Abgrund gefolgt, in dem nur mehr der kurze, durch Leid entzündete nächste Augenblick der Euphorie zählte. Nun war sie eine tickende Zeitbombe. Sie musste ihre Kräfte um jeden Preis beherrschen.
    Charlotte ließ sich auf ihren Stuhl zurückfallen. Sie konnte nicht viel unternehmen. Aufs Garner College zurück und sich vor aller Welt verbergen. Nein, das College, wo sie jeder kannte und von ihrer Heirat wusste, kam nicht infrage. Das Mitleid, das man ihr dort entgegenbringen würde, würde über ihre Kräfte gehen.
    Sie konnte zurückgezogen weiter auf dem Anwesen leben, in der Hoffnung, dass die Versuchung, die dunkle Seite ihrer Macht einzusetzen, in der Isolation abnehmen würde, aber sie wollte auch nicht länger Charlotte de Ney sein. Lady de Ney war ein dummes, naives Mädchen, das sich von einem hübschen Gesicht und dem Versprechen einer glücklichen Zukunft hatte blenden lassen. Sie hatte geglaubt, dass sie es nach all den Jahren der Ausbildung und des Dienstes verdiente, um ihrer selbst willen geliebt zu werden, als sei Liebe so etwas wie ihr gutes Recht. Wenn sie hierblieb, musste sie sich Nachbarn und Freunden stellen und erklären, warum ihre Ehe annulliert worden war. Nein, das wäre auch keine gute Idee. Elvei würde sich auf der Jagd nach einer neuen Frau in denselben Kreisen bewegen wie sie.
    Bei dem Gedanken an Elvei regte sich die Magie in ihr. Charlotte schlang die Arme um ihren Leib. Ihm wehzutun fühlte sich fantastisch an. Sie konnte sich vorstellen, ihn krank zu machen. Vielleicht nur ein bisschen. Nichts Ernstes. Sie wusste, wo er vor ihrer Heirat gelebt hatte. Das Haus gehörte ihm noch immer, vermutlich würde er dorthin zurückkehren. Und wenn er wieder heiratete, würde sie seiner errötenden Braut ein kleines bisschen von ihrer Gesichtsfarbe rauben. Dieser Gedanke würde so lange an ihr nagen, bis er sie vollständig verschlungen hatte und sie ihn in die Tat umsetzte. Obwohl es falsch war und böse. Das wusste sie, gleichzeitig fühlte sie sich aufs Äußerste zermürbt und emotional bis auf die Knochen verletzt. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie standhalten würde. Sie musste irgendwo untertauchen, wo es keine Blaublütigen, kein Adrianglia und keinen Elvei gab.
    Ihr Gedächtnis servierte ihr einen halb vergessenen, Jahre zurückliegenden Vorfall, als man sie gerufen hatte, um eine Handvoll Soldaten zu heilen. Sie erinnerte sich, eine mächtige magische Grenze gespürt zu haben, eine unsichtbare Mauer, die ihre Welt zu kappen schien, und daran, wie die Soldaten diese Grenze, einer nach dem anderen, mit schmerzverzerrten Gesichtern überquert hatten. Mit einem hatte sie, während sie seine Wunden heilte, gesprochen: Er berichtete, dass seine Gruppe zum Spiegel gehörte, einer Spionageorganisation. Sie
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