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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume
Autoren: Ilona Andrews
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saß Sandra Wicks, ihr gebleichtes Blondhaar ein toupiertes Durcheinander.
    »Flittchen«, brummte Melanie.
    »Yep.«
    Sandra winkte ihnen aus dem Fenster zu. Die beiden Hexen lächelten und winkten zurück.
    »Dann hast du von ihrem Freund in der Gegend von Macon gehört?«, fragte Éléonore.
    »Mhm, kaum dass ihr Mann aus dem Haus ist, flitzt sie über die Grenze ins Broken. So viel Zeit, wie sie dort zubringt, ist es ein Wunder, dass ihre Magie nicht versagt. Jemand sollte Michael mal einen Tipp geben.«
    »Halt dich da raus«, versetzte Éléonore. »Das geht dich nichts an.«
    Melanie schnitt eine Grimasse. »Als ich in ihrem Alter war…«
    »Als du in ihrem Alter warst, galt es noch als gewagt, statt eines Korsetts ein Mieder zu tragen.«
    Melanie schürzte die Lippen. »Dann muss ich dir sagen, dass ich einen Schlüpfer getragen habe.«
    »Was bist du doch aufmüpfig.«
    »Sogar aus Kunstseide.«
    Eine Frau stolperte um die Wegbiegung. Auf wackligen Beinen, schwankend, als müsse sie vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzen, die blonden Haare an die Stirn geklatscht, ihr Gesicht schmutzverkrustet.
    »Wer zur Hölle ist das denn?« Melanie stellte ihr Glas weg.
    Die beiden kannten die gesamte Bevölkerung von East Laporte, und Éléonore war sich absolut sicher, diese Frau noch nie zuvor gesehen zu haben. Wollkleidung, im Schnitt des Weird. Jemand aus dem Broken würde Jeans oder Kaki tragen, Schuhe mit Absätzen oder Turnschuhe. Diese Frau hatte Stiefel an, und sie ging irgendwie seltsam.
    Die Frau schwankte und stürzte in den Straßengraben. Éléonore stand auf.
    »Lass«, zischte Melanie. »Du weißt nicht, was sie ist.«
    »Halb tot, das ist sie.«
    »Mir ist das nicht geheuer.«
    »Dir ist überhaupt nichts geheuer.«
    Éléonore verließ ihre Veranda und lief die Straße hinunter.
    »Du wirst noch mal mein Tod sein«, knurrte Melanie und stapfte ihr nach. Die Frau wälzte sich herum und setzte sich auf. Sie war groß und mager, aber nicht von Natur aus. Sie ist ausgehungert, erkannte Éléonore. Kein Teenager, eine Frau, so um die dreißig. Nach Éléonores Maßstab noch ein Mädchen.
    »Geht es Ihnen gut, Liebes?«, rief sie.
    Die Frau blickte sie an. Ja, ohne Frage aus dem Weird und gut betucht: hübsches, faltenloses Gesicht, zweifellos früher gut gepflegt, jetzt jedoch war es hager, spitz durch den Mangel an Nahrung und schmutzig.
    »Ich wurde angeschossen«, sagte sie mit leiser Stimme.
    Mon dieu
. »Wo?«
    »Rechter Oberschenkel. Eine Fleischwunde. Bitte.« Éléonore las Verzweiflung in den grauen Augen der Frau. »Ich hätte gerne etwas Wasser.«
    »Éléonore, untersteh dich, sie mit in dein Haus zu nehmen.«
    Rose war viele Meilen weit entfernt, und dieses Mädchen, das da im Dreck saß, sah ihr kein bisschen ähnlich, trotzdem erkannte sie im Gesicht dieser Fremden den Schatten ihrer Enkelin. Éléonore ergriff die Hand der Frau. »Versuchen Sie aufzustehen.«
    »Das wird kein gutes Ende nehmen.« Melanie nahm den anderen Arm der Frau. »Kommen Sie, stützen Sie sich auf mich.«
    Die Frau stemmte sich hoch und ächzte, ein leiser Schmerzenslaut. Für ein so großes Mädchen wog sie fast nichts. Sie schafften sie die Stufen hinauf, einen winzigen Schritt nach dem anderen, führten sie hinein und zum Gästebett. Éléonore zog ihr die wollene Hose herunter, im Oberschenkel klaffte eine kleine rote Schusswunde.
    »Hol den Erste-Hilfe-Kasten, Melanie.«
    »Mach ich ja, mach ich ja.« Die Hexe lief in die Küche.
    »Ist die Kugel draußen?«, fragte Éléonore.
    Die Frau nickte.
    »Wie wurden Sie angeschossen?«
    »Da war ein Junge …« Die Stimme war schwach. »Er hatte einen gebrochenen Arm. Ich wollte den Bruch heilen, da hat sein Vater auf mich geschossen.« Ihre Stimme bebte vor Überraschung und Wut.
    Heilmagie war überaus selten, man hörte kaum je davon. Éléonore runzelte die Stirn. Was um alles in der Welt machte sie hier im Edge?
    Melanie platzte mit dem Erste-Hilfe-Kasten herein. »Warum verarzten Sie das Loch in Ihrem Bein nicht selbst, wenn Sie heilen können?«
    »Ich kann mich nicht selbst heilen«, teilte die Frau ihr mit.
    »Ich glaube, Sie lügen«, sagte Melanie und gab den Kasten weiter.
    Die Frau hob eine Hand. Ihre Finger strichen über Melanies altersfleckigen Arm. Von ihren Fingern ging ein schwacher Strom goldener Funken aus und senkte sich unter Melanies Haut. Die dunklen Leberflecke verschwanden.
    Éléonore keuchte. Melanie stand zur Salzsäule erstarrt.
    Die
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