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Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume
Autoren: Ilona Andrews
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wütend.
    Sie hatten beide so viel getan, so viel geopfert, und nun würde sie nach alledem sterben. Weil das alles so unfair war, hätte er am liebsten getobt und auf die Wände eingeschlagen, stattdessen musste er still auf seinem Hintern sitzen. Er versuchte sich vorzustellen, ohne sie heimzugehen, und konnte es nicht.
    Wenn sie starb … Was hatte dann noch Sinn?
    »Oft gibt es keinen Sinn. Es bringt nichts, im Fluss des Lebens nach einer Rechtfertigung zu suchen«, sagte eine Frau.
    Er sah auf. Vor ihm stand eine elegante ältere Frau, groß, sehr dünn, mit dunklen Haaren und eindringlichem Blick.
    »Wird sie leben?«
    »Ja. Sie ruht sich nun aus.«
    Richard überkam Erleichterung.
    »Mein Name ist Lady Augustine al Ran. Kommen Sie, Richard, wir müssen ein paar Dinge besprechen.«
    Er erhob sich und folgte ihr den Korridor hinab. »Lesen Sie meine Gedanken?«
    »Nein, aber Ihre Gefühle. Sie ertrinken in Verbitterung. Ich bin empfänglich für Emotionen, und mit den Jahren habe ich gelernt, eins und eins zusammenzuzählen.«
    Sie kamen zu neuen Türen, die er ihr aufhielt. Sie schritt hindurch. Er folgte ihr und fand sich auf einem langen, steinernen Übergang wieder. Ein Dach schützte ihn vor den Elementen, doch die großen Bogenfenster waren fensterlos, sodass der Wind frei hindurchfegen konnte. Die Sonne schien hell und golden. Charlotte hatte er bei Anbruch der Nacht hierhergebracht.
    »Wie spät ist es?«, fragte er.
    »Früher Vormittag«, antwortete sie. »Für Sie ist es bereits morgen. Sie haben die letzten vierzehn Stunden gewartet.«
    »So lange?«
    »Ja.«
    Sein Zorn verflog mit dem Wind und nahm die Verbitterung mit. Er fühlte sich … ruhig.
    »Was machen Sie mit mir?«
    »Ich will, dass Sie einen klaren Kopf haben«, sagte sie, indem sie an einem der Fenster stehen blieb. »Sie müssen Entscheidungen treffen, und ich will nicht, dass sie von Ihren Gefühlen getrübt werden. Ich weiß über Sie Bescheid, Richard. Charlotte hat mir geschrieben, bevor sie zur Hochzeit aufbrach. Sie hat mir alles über Sie berichtet. Sie liebt Sie, was erklärt, weshalb sie für Sie das Unmögliche möglich gemacht hat. Ich war nicht dabei, aber ich sehe die Narben an Körper und Geist. Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    Er erzählte alles. Von den Sklavenhändlern, Charlotte, der dunklen Magie, Sophie, alles.
    »Das dachte ich mir«, nickte sie mit Blick auf die Gärten unter ihnen. »Charlotte war schon immer sehr stark.«
    »Wird es ein Nachspiel geben?«
    Sie wölbte die schmalen Brauen. »Offiziell? Nein. Sie ist eine viel zu wertvolle Heilerin, und die Vorstellung, dass eine Feedbackschleife unterbrochen werden kann, würde nur Narren einen Vorwand liefern, Versuche damit anzustellen. Nein, es wird keine Sanktionen geben, aber Konsequenzen. Als Charlotte die Feedbackschleife unterbrochen hat, um Sie zu heilen, hat sie dafür einen furchtbaren Preis bezahlt. Sie hat mit Nichtübereinstimmungen experimentiert, ein sehr seltenes Phänomen, bei dem eine Magienutzerin so davon absorbiert wird, ihre Magie zu kanalisieren, dass sie ihre motorischen Fähigkeiten einbüßt. Charlotte muss wesentliche Dinge neu lernen, Richard. Sie muss neu lernen zu gehen und wie man einen Löffel oder einen Stift hält oder die Seiten eines Buches umblättert.«
    Sein Mut sank. »Aber sie kann es doch lernen?«
    »Oh ja. Mit ihrem Körper ist alles in Ordnung. Wir haben alle Schäden behoben und sie so gesund gemacht, wie sie sein kann. Aber wir müssen jetzt viel Geduld haben und mit ihr üben. Sie wird noch einige Wochen das Bett hüten müssen.«
    Sie lebte. Sie war gesund, und sie hatte überlebt. Nur darauf kam es jetzt an. »Wann kann ich sie heimholen?«
    Lady Augustine wandte sich ihm zu. »Das ist vielleicht keine so gute Idee. Sie verstehen offenbar nicht. Man wird Charlotte ins Bad tragen müssen. Man wird sie waschen und füttern müssen, sie wird wochenlang bettlägerig sein, bis sie überhaupt fähig ist, mit der Rehabilitation zu beginnen, die vermutlich wiederum Monate dauern wird. Haben Sie Kinder? Sie würden sich um sie kümmern müssen wie um ein Kind. Überlegen Sie, was dabei aus den romantischen Gefühlen würde, die Sie womöglich für sie hegen. Sie werden sie nie wieder in demselben Licht sehen können. Gehen Sie fort, Richard. Lassen Sie sie hier bei uns. Wir kennen uns mit so etwas aus. Wir sorgen für die Kranken, und wir sind sehr gut darin.«
    »Hat sie gesagt, dass ich sie heimholen
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