Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
nicht«, rief der Große Than. »Er kann gehen.«
    Richard senkte den Kopf. Als die Wachen sich teilten, ging er mit großen Schritten auf seine Mitstreiter zu.
    »Eine Schande«, meinte Erwin. George drehte sich um. Der Spion stand an ihrem Tisch. Er sah nun weit weniger wie Lorameh aus und dafür mehr wie er selbst. Offenbar war bei seiner Verwandlung auch irgendein Zauber am Werk gewesen. George würde der Sache noch auf den Grund gehen müssen.
    »Erwin?« Kaldar beäugte ihn. »Sie sind Lorameh?«
    »Ja, der bin ich. Welchen Teil von
Raushalten
haben Sie nicht verstanden? Ich bin seit zehn Monaten an Brennan dran, hab meinen Fall aufgebaut, um ihn in aller Stille festnehmen zu können, ohne Skandal und Peinlichkeit für das Königreich.« Erwin hob den Arm und deutete auf den zerstörten Speisesaal. »Genau das hatte ich zu vermeiden versucht.«
    Da trat Richard an den Tisch. »Wo ist Charlotte?«
    George sah sich nach Charlottes Tisch um. Leer. Charlotte war verschwunden. Und mit ihr Sophie – und Spider.
    »Sie war gerade noch hier«, antwortete er.
    »Jack!«, blaffte Richard.
    »Schon dabei.« Jack schoss durch den Speisesaal, hockte sich vor den Tisch, schnupperte und deutete dann auf den Ausgang. »Halle, rechts.«
    Richard querte im Laufschritt den Saal.
    »Mylord!«, rief Sophie.
    Spider blieb stehen und drehte sich um. Die Gärten lagen bereits halb hinter ihm, und als er sich nun auf dem Absatz umdrehte, um sie anzusehen, wurde er von den Blumenbeeten eingerahmt. Es sah aus wie auf einem in Sonnenlicht gebadeten Gemälde. Sophie ließ den Hund von der Leine.
    »Was macht du denn hier, Sophie?«
    »Als das Geschrei losging, habe ich Angst gekriegt«, gab sie zurück. »Ich bin rausgelaufen und habe Sie weggehen sehen.«
    Er hob die Hand, lud sie ein, ihn zu begleiten. Sie schloss zu ihm auf. Gemeinsam schlenderten sie über den gewundenen Pfad. Der Hund trottete nebenher und schnupperte an den Blumen.
    »Wie ich sehe, hast du deinen Hund mitgebracht. Hast du dich inzwischen für einen Namen entschieden?«
    »Ja, ich denke, wir sollten ihn Callis nennen.«
    »Nach dem Großen Than?« Spider lächelte.
    »Sie haben dieselbe Art rauer Würde. Wo gehen Sie hin?«
    Die starre Spitze ihres Kurzschwerts, die einzige Waffe, die sie unter dem Kleid tragen konnte, ruhte warm an ihrem Oberschenkel. Auf beiden Seiten des Pfades blühten Rosen, rosa, dunkelrot, cremefarben. Ihre samtigen Blütenblätter entließen einen betörenden Duft in die Luft.
    »Ich war hier, um diese Hochzeit zu stören«, antwortete er.
    »Wieso denn? Mögen Sie die Marchesa?«
    »Ja, tatsächlich bin ich sehr in sie verliebt. Sie ist ein wunderschönes Exempel des Besten, was adliges Blut zu bieten hat. Aber ich bin Patriot, meine Liebe, und manchmal liegen die Interessen meines Landes mit meinen persönlichen Interessen im Widerstreit.«
    »Ich verstehe«, sagte Sophie. »Die Pflicht.« Er war kein Monster aus Neigung, nein, er war Patriot. Der einzige Unterschied zwischen einem gemeinen psychotischen, sadistischen Killer und Spider bestand darin, dass Letzterer von Louisiana die Lizenz zum Töten hatte.
    »Ja.« Spider nickte. »Die Marchesa besitzt große Ländereien. Es liegt nicht in unserem Interesse, dass diese Ländereien dem Einfluss von Adrianglia zufallen. Ich hatte etwas ziemlich Spektakuläres im Sinn. Aber ein echter Profi weiß, wann er verloren hat. Die haben eigenhändig ein dermaßen herrliches Durcheinander hinbekommen. Ich kann dem unmöglich noch irgendetwas hinzufügen. Also ist es Zeit für mich, von der Bühne abzutreten.«
    Er blieb stehen. Sie befanden sich nun im Zentrum des Gartens, wo der Weg einen Kreis bildete.
    »Ich habe deine Gesellschaft sehr genossen. Du bist überaus klug«, sagte Spider. »Du hast die Gabe, deinen eigenen Kopf zu benutzen, und verfügst über einen wachen Verstand. Wenn du genügend Ehrgeiz entwickelst, wirst du es weit bringen. Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute, meine Liebe. Wenn ich kann, werde ich dich im Auge behalten. Ich würde gerne sehen, wie weit du kommst.«
    »Wie entwickelt man denn Ehrgeiz?«
    Er legte den Kopf schräg. »Hast du jemals etwas gewollt? Etwas, von dem du weißt, dass du es nicht haben kannst. Das du dir aber von ganzem Herzen wünschst?«
    »Natürlich.«
    »Dann überzeuge dich davon, dass es dir zusteht. Mach dir klar, dass es dir wegen deiner Macht oder deiner Intelligenz zusteht, oder einfach, weil du es begehrst. Streck deine Hand danach aus und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher