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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod
Autoren: Ann Cleeves
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«Und wenn Sie mit den Angestellten geredet haben, finden Sie raus, ob ihr Auto noch hier ist. Nehmen Sie am besten jemanden von der Spurensicherung mit. Die müssen den Wagen ja sowieso untersuchen. Ich glaube, die Handtasche vom Opfer könnte noch im Auto sein. Falls ja, geben Sie mir Bescheid.»
    «Da sage ich meiner Frau am besten mal, dass es heute spät wird.» Das sollte ironisch klingen, aber Vera ging nicht weiter darauf ein.
    «Aye. Wenn ich es schaffe, komme ich nachher wieder her. Ansonsten rufe ich Sie an. Morgen früh halten wir als Erstes ein Teammeeting auf dem Revier ab. Ist schon eine Einsatzzentrale eingerichtet worden?»
    «Da kümmert sich Holly drum. Charlie hat mir hier geholfen, die Aussagen aufzunehmen.»
    Vera nickte. Sie sollte Holly wohl morgen besser wieder von der Leine lassen. Sie war keine strenge Chefin. Im Grunde jedenfalls nicht. Sie wusste, wie wichtig es war, ihre Leute bei Laune zu halten.
    Auf dem Parkplatz merkte sie, dass sie am Verhungern war. Vor dem Schwimmen hatte sie sich bei Gregg’s eine Käsepastete gekauft, die immer noch in der Tasche auf dem Beifahrersitz ihres Wagens lag. Sie war lauwarm und etwas zerlaufen, nachdem sie den halben Tag in der Sonne gelegen hatte, aber es war kein Fleisch drin, also nichts, was verderben konnte. Vera verspeiste sie genüsslich und machte sich dann nach Südwesten auf, in Richtung des Tyne.
    Barnard Bridge lag westlich des Hotels, auf dem Weg nach Cumbria. Vera kannte die Gegend nicht gut. Sie war in den Bergen aufgewachsen, und die meisten Verbrechen in ihrem Revier wurden in der Stadt begangen oder in den Küstendörfern im Südosten der Grafschaft, die nach der Industrialisierung erbaut worden waren. Das hier aber war reiches Ackerland. Die Cottages in den Dörfern waren von Freiberuflern aufgekauft worden, die das süße Leben suchten, und von Umweltschützern, die es offenbar mit ihrem grünen Gewissen vereinbaren konnten, täglich auf der A69 nach Newcastle, Hexham oder Carlisle zu pendeln. Das hier war eine Gegend für Bauernmärkte, selbständige Buchhändler und Schriftsteller. Ein Stückchen Südengland, das man in den Norden verpflanzt hatte, fand jedenfalls Vera. Aber sie trug ja auch einen Komplex von der Größe des Kielder Forest mit sich herum. Was wusste sie schon? In Intellektuellenkreisen hatte sie sich noch nie wohlgefühlt.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Fünf
    Das Haus sah bescheidener aus, als Vera erwartet hatte, es gehörte zu einer Reihenhaussiedlung an der Hauptstraße des Dorfes. Vera parkte direkt am Straßenrand. Es war fünf Uhr nachmittags, alles war ruhig. Der Coop an der Ecke hatte noch offen, aber da war kein Mensch drin. Die Kinder aßen jetzt ihr Abendbrot, und die Pendler aus der Stadt waren wahrscheinlich noch bei der Arbeit oder auf dem Heimweg. Sie klopfte an die Tür, obwohl sie nicht glaubte, dass ihr jemand aufmachen würde, doch sogleich hörte sie drinnen Schritte und das Klicken eines Sicherheitsschlosses, das aufgesperrt wurde.
    «Na, wieder mal den Schlüssel vergessen?» Die Worte kamen schon heraus, ehe die Tür ganz offen war. Ein Lachen folgte. «Also wirklich, Mum, du bist echt unschlagbar.» Dann sah das Mädchen Vera, hielt inne und lächelte.
    «Entschuldigen Sie bitte, ich habe jemand anders erwartet … Kann ich Ihnen helfen?»
    «Heißt Ihre Mutter Jenny Lister?»
    «Ja, aber sie ist leider nicht da.»
    «Ich bin von der Polizei Northumbria, Herzchen. Ich sollte wohl besser reinkommen.» Sie spürte die Panik, die die Menschen unweigerlich befiel, wenn die Polizei unerwartet vor der Tür auftauchte. Das Mädchen trat einen Schritt zurück, um sie hereinzulassen, und seine Fragen folgten Vera durch den schmalen Flur.
    «Was ist los? Hat sie einen Unfall gehabt? Sind Sie gekommen, um mich zum Krankenhaus zu bringen? Sollten wir nicht sofort los?»
    Vera setzte sich an einen Tisch in der Küche im rückwärtigen Teil des Hauses. Die Wände waren gelb gestrichen und leuchteten in der niedrigstehenden Sonne. Auch das hatte Vera nicht erwartet. Sie hatte sich Jenny als Hausfrau vorgestellt, der ein hart arbeitender Geschäftsmann Müßiggang und Luxus ermöglichte, aber hier sah es eher wie in einer Studenten- WG aus. Die Küche ging auf einen kleinen Garten hinaus, auf dem Tisch lag noch die Sonntagszeitung, und auf der Küchenplatte stand eine halb geleerte Flasche Rotwein, in die jemand einen Korken gestopft hatte.
    «Das da, sind das Sie und Ihre Mutter?», fragte Vera. An
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