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Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Autoren: Kerstin Wassermann
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Zweifel.
    »Komm doch erst mal rein«, forderte sie ihn mit belegter Stimme auf und trat einen Schritt zur Seite, um ihn durchzulassen.
    Mit roboterartigen Bewegungen ging er durch den Flur ins Wohnzimmer, setzte sich aber nicht, sondern blieb einfach regungslos mitten im Raum stehen. Er sah sie nicht an.
    »Kann ich irgendetwas für dich tun?«, fragte Linda. Das eigenartige Verhalten ihres Schwagers versetzte sie immer mehr in Angst. Jörn war Geschäftsführer einer Firma für medizintechnische Geräte. Normalerweise war sein Auftreten selbstbewusst und souverän. Er hatte weder Probleme, vor vielen Menschen zu sprechen, noch die richtigen Worte zu finden, wenn eine Situation mal etwas heikel wurde. Dass er jetzt so apathisch wirkte, erschreckte Linda mehr, als sie es jemals für möglich gehalten hätte. Sie merkte selbst, wie merkwürdig ihre Stimme bei ihrer Frage geklungen hatte.
    »Jörn, jetzt sag doch endlich, was passiert ist. Was ist los?« Inzwischen schrie sie beinahe.
    Umso kühler klang die Stimme ihres Schwagers, als er endlich antwortete: »Saskia ist tot.«
    Mehr sagte er nicht. Er schien auch nicht auf eine Reaktion von ihr zu warten. Er stand einfach nur da.
    Linda starrte ihn fassungslos an. Sie hatte die Worte gehört, hatte sie auch verstanden, aber sie war nicht in der Lage, ihren Sinn zu begreifen.
    »Was?«, stammelte sie tonlos.
    »Sie ist heute Nacht von der Fehmarnsundbrücke gesprungen. Die Polizei hat mich in Berlin angerufen, nachdem man sie gefunden hat. Ich bin sofort hergekommen.« Noch immer war bei Jörn keine Gefühlsregung auszumachen, weder in seiner Stimme noch in seiner Mimik.
    Linda hatte plötzlich das Gefühl, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten. Schwankend kämpfte sie darum, sich aufrecht zu halten. Bevor ihr die Knie einfach wegknickten, trat sie einen Schritt zurück und ließ sich langsam auf die Sitzfläche ihres Sofas sinken.
    »Das kann nicht sein«, murmelte sie mit heiserer Stimme. »Das glaube ich einfach nicht.« Sie blickte auf, und ein plötzlicher Anflug von Hoffnung lag in ihrem Gesicht. »Das ist bestimmt eine Verwechslung. Eine andere Frau, die Saskia durch Zufall ähnlich sieht ...«
    Sie brach ab, als Jörn langsam den Kopf schüttelte. Das erste Mal, seitdem er vor ihrer Tür gestanden hatte, sah er ihr direkt in die Augen.
    »Sie ist es. Ich habe sie gesehen. Ich musste sie identifizieren.«
    Linda starrte ihn entsetzt an. Sie merkte, dass ihr Tränen in die Augen stiegen.
    »Nein!«, schluchzte sie plötzlich. »Bitte nicht. Nicht Saskia!« Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Jörn trat zu ihr und legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter, aber sie schaffte es nicht, ihn anzusehen. Zu tief saß der Schock.
    Minutenlang ließ sie ihren Tränen freien Lauf, während Jörn einfach nur bei ihr stand, ratlos und selbst geschockt. Irgendwann beugte er sich über sie.
    »Ich gehe jetzt, aber ich komme später noch mal runter zu dir«, murmelte er, bevor er die Wohnung verließ und leise die Tür hinter sich zuzog.
    Auch als ihre Tränen langsam versiegten, blieb Linda weiter auf dem Sofa sitzen. Sie starrte in Leere, versuchte verzweifelt zu begreifen, was sie gerade gehört hatte.
    Ihr Termin, die Arbeit, der wichtige Kunde, all das schien plötzlich keine Bedeutung mehr für sie zu haben. Sie dachte nur noch an ihre Schwester.
    Vielleicht war Saskia gestern Abend zu ihr heruntergekommen, um mit ihr zu sprechen, schoss es ihr durch den Kopf. Vielleicht hatte sie ihre Hilfe gesucht, hatte immer wieder geklingelt und geklopft, aber Linda war nicht dagewesen. Stattdessen war sie mit den Mädels durch die Clubs gezogen.
    Meine Schwester ist gestorben, dachte sie bestürzt, während ich mich amüsiert habe.
     

Dienstag, 12. März
    Es war eine ungewöhnliche Zeit für ein Gewitter, doch die aufziehenden schweren Wolken passten zur Stimmung auf dem Friedhof. Einige der Trauergäste blickten immer wieder mit sorgenvoll verzogenen Gesichtern in Richtung Himmel. Die Aussicht, einen kräftigen Regenschauer abzubekommen, schien sie wesentlich mehr zu belasten als der Anlass, aus dem sie sich versammelt hatten.
    Linda Vossen störte das nicht. Es war ihr völlig egal, aus welchem Grund die anderen Leute auf dem Friedhof erschienen waren. Viele der Anwesenden hatte sie noch nie gesehen. Wahrscheinlich waren es Freunde, Verwandte oder Geschäftspartner von Saskias Ehemann Jörn, die es für schicklich hielten, sich wenigstens kurz
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