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Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)

Titel: Seelenkälte: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
Autoren: Kerstin Wassermann
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Raum umherzuwandern, ohne einen Halt zu finden, und ihrem schmalen, blass wirkenden Gesicht war deutlich anzusehen, dass sie zurzeit wenig Schlaf bekam. Irgendetwas schien sie ständig zu beschäftigen.
    Dass Suna mit dieser Einschätzung genau ins Schwarze getroffen hatte, stellte sich nur wenige Minuten später heraus.
    Wie sie mitgeteilt bekam, hatte Linda sich an Robert gewandt, weil sie nicht damit einverstanden war, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen zum Tod ihrer Schwester eingestellt hatte. Man ging davon aus, dass Saskia Christensen Selbstmord begangen hatte, als sie von der Fehmarnsundbrücke in den Tod gestürzt war.
    Und tatsächlich gab es viel, was für diese Theorie sprach, wie Linda selbst zugab. Nicht nur, dass Saskias Auto verlassen in der Nähe ihrer Leiche gefunden worden war, auch das Fehlen jeglicher Spuren, die auf die Beteiligung anderer Personen hindeuten konnten, bestätigten die Selbstmordthese. Zudem sprach Saskias Vergangenheit eindeutig dafür: Sie war seit Jahren wegen depressiver Störungen in psychologischer Behandlung und hatte schon zwei Suizidversuche hinter sich.
    Nur ihre Schwester schien davon nichts hören zu wollen.
    »Sie ist nicht gesprungen. Nicht freiwillig«, wiederholte sie beharrlich mit einem trotzigen Zug um den Mund. »Entweder hat sie jemand von der Brücke gestoßen, oder man hat sie gezwungen zu springen. Ich weiß, dass mir niemand glaubt, aber ohne einen Abschiedsbrief an mich hätte sie sich nicht das Leben genommen, niemals!«
    Nicht gerade ein schlagkräftiges Argument, dachte Suna. Sie konnte sich gut ausmalen, wie Linda sowohl die Polizei als auch die Staatsanwaltschaft davon zu überzeugen versucht hatte, die Ermittlungen nicht einzustellen. Das war wahrscheinlich sogar ganz normal. Natürlich wünschte man sich als Angehöriger, dass ein geliebter Mensch sich nicht freiwillig entschieden hatte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Und ohne einen Brief als Erklärung war es noch viel schwieriger, die Beweggründe zu verstehen. Doch die Vorgeschichte sprach nun einmal Bände.
    Deshalb war die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, den Fall zu den Akten zu legen, durchaus nachvollziehbar. Anscheinend hatte es einfach keine weiteren Anhaltspunkte gegeben, denen die Polizei noch hätte nachgehen können.
    Dementsprechend gering schätzte Suna die Wahrscheinlichkeit ein, durch eine genauere Untersuchung des Falls tatsächlich bahnbrechend Neues in Erfahrung zu bringen. Wahrscheinlich würde die Arbeit nur in endlosen Befragungen von Freunden, Bekannten und Verwandten bestehen, die ihr immer wieder das Gleiche erzählten – in unzähligen, persönlich eingefärbten Varianten. Nicht gerade verlockende Aussichten.
    »Bitte, ich brauche Ihre Hilfe. Sie müssen herausfinden, was wirklich passiert ist«, sagte Linda in beinahe flehentlichem Ton an Suna gewandt, nachdem sie alles berichtet hatte. »Ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Sie sind meine letzte Hoffnung.«
    Suna zögerte. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Zeit, einen neuen Auftrag anzunehmen. Sie war mit einem anderen Fall, einem groß angelegten Versicherungsbetrug, der sie schon seit mehreren Wochen beschäftigte, fast zu einhundert Prozent ausgelastet.
    »Gut, ich mach’ s. Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann«, hörte sie sich plötzlich zu ihrem eigenen Entsetzen sagen. Dabei hätte sie sich schon in der gleichen Sekunde dafür ohrfeigen können, einen solchen Auftrag anzunehmen.
    Sie sah Roberts zufriedenes Gesicht. So, wie sie ihn kannte, war er mit Sicherheit schon davon ausgegangen, dass sie sich mal wieder breitschlagen ließ. Und das ärgerte sie. Nur mit Mühe widerstand sie dem spontanen Impuls, ihm die Zunge herauszustrecken.
    Dass sie es nicht übers Herz gebracht hatte, den Auftrag abzulehnen, hatte mehrere Gründe.
    Zum einen konnte sie sich ganz gut in Lindas Situation hineinversetzen. Sunas Schwester Rieke war fast zwanzig Jahre zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen, zusammen mit ihrer Mutter. Obwohl Suna damals erst neun gewesen war, hatte sie noch gut den Gesichtsausdruck ihres Vaters in Erinnerung, als er versuchte, ihr die traurige Nachricht so schonend wie möglich beizubringen. Sie hatte ihn noch nie so niedergeschlagen erlebt. Er wirkte, als wäre ein Teil seiner Lebensenergie mit seiner Frau und seiner ältesten Tochter gestorben.
    Auch Suna hatte lange gebraucht, um mit dem Verlust einigermaßen klarzukommen, und sie war sich sicher, dass
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