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Seelengift

Titel: Seelengift
Autoren: Veronika Rusch
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go?«, wiederholte sie. Dann, verstehend und mit sich verfinsternder Miene: » Cappuccio a portare via ? Plastikbecher mit Schnabel zum Trinken? Che schifo, Madonna mia ! Bist du verrückt?« Sie rang die Hände.
    Clara lachte. »Nein. In einer schönen, großen Porzellantasse und nur für mich und nur für gegenüber! Ja? Bitte, bitte!« Sie deutete auf ihre Kanzlei und machte eine Handbewegung, die Rauchen! signalisieren sollte.
    »Ah!« Ritas Miene hellte sich ein wenig auf. »Aber dass mir das nicht zur Gewohnheit wird, eh? Was ist schon ein Café ohne Gäste? Kann man sich gleich den caffè aus dem Internet bestellen!«
    Sie wedelte zur Bekräftigung mit den Händen noch ein bisschen zornig in der Luft herum und begann dann, halblaut auf Italienisch vor sich hin schimpfend, an der Kaffeemaschine herumzuhantieren. Clara wusste, wem ihre Beschimpfungen galten: den Politikern im Allgemeinen, deutschen wie italienischen, und zurzeit mit Vorliebe den bayerischen Politikern im Besonderen, weil diese das Rauchverbot verbrochen hatten. Es war ihr auch egal, dass dieselben Politiker seit einiger Zeit schon wieder damit begonnen hatten, das Objekt ihres Zorns aufzuweichen, und ihr Geschäft bisher keine größeren Einbußen zu verzeichnen gehabt hatte. Eine derartige Einmischung seitens des Staates in affari propri konnte sie schon aus Prinzip nicht gutheißen. Sollte er sich doch um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, dieser Staat, da hatte er genug zu tun, und anständige Leute in Frieden lassen.
     
    Die Kanzlei war, mit Ausnahme von Claras Schreibtisch, geradezu unanständig aufgeräumt. Linda hatte vor ihrer Abreise
noch etliche Überstunden geschoben, um auch wirklich jeden Brief zu beantworten, jeden noch so kleinen Vermerk zu bearbeiten, jeden Anruf zu erledigen und jede aktuelle Akte sorgfältig mit Notizen zu versehen und eine lange Liste mit Hinweisen für Clara zu erstellen, die ihr Überleben und vor allem das der Kanzlei sichern sollten. Diese Liste handelte vom ordnungsgemäßen Heizen des Schwedenofens über die Tücken des Faxgerätes und das Versteck des Kopierpapiers bis hin zu mit drohenden Ausrufezeichen versehenen Erinnerungen an fällige Schriftsätze alle erdenklichen Katastrophen ab, die sich während ihrer einwöchigen Abwesenheit ereignen könnten. Clara hatte die Liste mit einem spöttischen Strammstehen quittiert, sich aber angesichts von Lindas Ernst und Willis warnendem Blick jede weitere Bemerkung verkniffen und stattdessen pflichtschuldig genickt. Ja, sie würde sich um den Weihnachtsstern auf dem Fensterbrett kümmern, natürlich, und ja, sie würde bestimmt am Montag Frau Rampertshofer in ihrer Scheidungssache anrufen, versprochen. Ganz sicher. Und sie würde auch Herrn Malic anrufen und über den Termin nächste Woche sprechen, und sie würde seine Strafakte unbedingt bis spätestens Dienstag zurückschicken …
    Dann waren sie abgezogen, und Clara hatte ihnen nachgelächelt und sich wunderbar gefühlt bei dem Gedanken, einmal eine ganze Woche lang die Kanzlei für sich allein zu haben. Doch da hatte das zweite einsame Wochenende noch vor ihr gelegen, und Mick hatte noch nicht angerufen und ihr mitgeteilt, dass er noch eine Woche länger in Newcastle bleiben würde.
    Jetzt hielt sie Lindas Liste in den Händen, und ihr Blick wanderte unschlüssig zur Akte Rampertshofer gegen Rampertshofer. Sie fühlte sich definitiv nicht in der Verfassung, Frau Rampertshofer anzurufen. Clara seufzte. Sie konnte
die Frau ja grundsätzlich verstehen. Ihre Wut, ihre Verletztheit, ihre Existenzängste. Aber jedes Mal, wenn sie mit ihr gesprochen hatte, fühlte sie sich danach so ausgelaugt wie nach einem Boxkampf über zehn Runden. Technisches K.o. oder besser, K.o. durch Erschöpfung. Und keines ihrer Gespräche brachte sie weiter. Keines der langen, von Wutausbrüchen und Tränen durchtränkten Telefonate und Treffen in der Kanzlei führte dazu, dass sie in dem Rechtsstreit auch nur einen Zentimeter vorankamen. Spielte es eine Rolle, ob die Gardinenstangen im Wohnzimmer ein Geschenk der Mutter des Ehegatten oder von Frau Rampertshofer selbst gekauft worden waren? Brachte es sie weiter, wenn der Ehemann darüber Buch führte, wie lange der gemeinsame Sohn für die Hausaufgaben brauchte, wenn er zu Besuch bei ihm war, und verlangte, diese Zeiten mit denen bei der Mutter zu vergleichen, als Beweis für deren Unzulänglichkeit bei der Erziehung der Kinder? Claras Seufzen vertiefte sich, als sie an ihren
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