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Seelengift

Titel: Seelengift
Autoren: Veronika Rusch
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gegenüber von Irmgard Grubers Wohnung. Deswegen bin ich überhaupt auf Sie gekommen. Sie haben es dort weggeworfen, nicht wahr?«
    Josef Gerlach lächelte jetzt tatsächlich. Ein echtes, wenngleich unsagbar müdes, erschöpftes Lächeln. »Man macht immer einen Fehler. An diesem Tag habe ich die Lieferung bekommen. 69281 Dampflok BR 03.10, besser bekannt als Blaue Mauritius . Ich wollte sie ihr am Abend vorbeibringen, als Überraschung. Sie war nämlich eigentlich viel zu teuer, so etwas Teures hätte sie Rudi von sich aus nicht gekauft. Aber ich dachte, wenn ich sie ihr einfach schenke, dann kann sie nicht Nein sagen.«
    »Und als Sie dort waren, ist Gruber gekommen«, sagte Clara und hatte plötzlich das Bild vor Augen, wie sich Gerlach, das so sorgfältig eingewickelte Päckchen in der Hand, hastig in den Schutz der Bäume zurückzog und ungläubig mit ansehen musste, wie der Kommissar von seiner Frau hereingebeten wurde.
    »Sie müssen sich sehr verletzt gefühlt haben«, sagte sie.
    »Verletzt?« Gerlach schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Nein! NEIN! Es war ja meine eigene Schuld, meine Schuld! Wie konnte ich ihr nur vertrauen? Warum war ich so dumm? WIEDER EINMAL SO DUMM! Ich hätte es besser wissen müssen.
Sie hat mich verraten.« Jetzt hob er den Kopf und sah Clara in die Augen. »Die beiden haben sich dort oben über mich lustig gemacht. Sie haben mich ausgelacht. Diesen Idioten, der sich was vorgemacht hat!«
    »Haben Sie das gehört?«, wollte Clara wissen.
    »Nein. Das musste ich nicht hören. Das wusste ich. Ich bin weggelaufen, nach Hause, wollte nicht mehr denken, nichts mehr wissen, doch es ging nicht. Sie haben die ganze Zeit in meinem Kopf weitergelacht, laut und lauter, die ganze Zeit! Da bin ich zurück, ganz früh am Morgen, und gerade, wie ich um die Ecke biege, sehe ich, wie Gruber aus dem Haus kommt. Er war die ganze Nacht bei ihr! Sie haben miteinander gefickt und sich dabei totgelacht.« Sein Gesicht verzerrte sich vor Ekel.
    »Gruber und seine Frau haben nie über Sie gelacht.«
    Gerlach ignorierte den Einwurf und redete schnell und aufgeregt weiter. »Die Haustür war offen, der Kommissar hat sie in der Eile nicht richtig zugemacht, da bin ich hinauf und habe geklingelt. Ich wollte nur mit ihr reden, wollte sie fragen, warum sie das getan hat. ABER SIE HAT NICHTS KAPIERT!« Er starrte Clara wild an. »Warum hat sie nur nichts kapiert? Sie hat mich verhöhnt, so wie mich alle die ganze Zeit verhöhnt haben. Dumm gestellt hat sie sich. Angeglotzt hat sie mich. Aber es hat ihr nichts genützt. Und Gruber auch nicht! Ich habe ihr extra den Morgenmantel ausgezogen, es sollte genauso aussehen wie bei Gerda. Das muss er doch gesehen haben! Hat er denn nicht begriffen, was das bedeutet?«
    »Der Morgenmantel war also tatsächlich eine Botschaft an Gruber.« Clara nickte langsam, sie verstand jetzt. »Sie wollten ihm damit zeigen, dass Sie es gewesen sind.«
    »Er sollte wissen, dass jetzt Schluss ist! Dass ich mich wehren kann!« Er atmete heftig, und plötzlich hob er den Kopf,
wie ein Blinder, als lausche er auf etwas, das nur er hören konnte. »Ich habe auf ihn gewartet danach. Das ganze Wochenende habe ich hier auf ihn gewartet. Aber er ist nicht gekommen. Stattdessen hat er so getan, als ob man ihn verdächtigte. Alles LÜGE!«
    Clara sah ihn traurig an. »Sie haben sich geirrt«, sagte sie leise. »Walter Gruber hat Ihre Botschaft gar nicht verstanden. Beide hatten keine Ahnung. Es war genau so, wie Sie anfangs geglaubt hatten. Irmgard Gruber hat Sie gemocht, ganz ohne Hintergedanken. Einfach nur so.«
    »Einfach nur so«, wiederholte Gerlach abwesend. »Einfach nur so.« Sein Blick schweifte ab, und irgendetwas in ihm sackte zusammen, die unterdrückte Anspannung, die ihn so starr hatte scheinen lassen, wich von ihm, und plötzlich saß er nur noch da, vornübergebeugt, die Hände auf dem Tisch. Wie ein armer Teufel.
    Dann stand er unvermittelt auf. Clara wich zurück, doch er beachtete sie nicht. Er ging zur Spüle, holte aus dem Schrank darunter eine Plastikflasche heraus, die mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war, und kam zurück. Er zog etwas aus seiner Hosentasche und warf es auf den Tisch. Clara zuckte zusammen, doch es war nur ein Schlüsselbund. Ein Schlüsselbund!
    »Gehen Sie«, sagte er.
    »W-w-w-was?«, stotterte Clara.
    »Gehen Sie.« Er wandte sich ab und verließ ohne ein weiteres Wort die Küche. Clara sah ihm verwirrt nach, dann griff sie nach dem großen
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