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Seelengift

Titel: Seelengift
Autoren: Veronika Rusch
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zu röcheln, nach Luft zu schnappen, und ich … ich … Mir wurde schlecht, ich habe die Tür aufgemacht, bin hinausgesprungen und … sie lag da auf dem Beifahrersitz und stank und röchelte, und alles war so ekelhaft, und ich wusste wieder, warum ich das nicht hätte tun dürfen, weil es widerlich ist und schamlos und verkommen. ICH, ich bin verkommen. Ein widerlicher, geiler Kartoffelsack …« Er schwieg erschöpft und versenkte seinen Kopf in den Händen.

    Clara warf einen nachdenklichen Blick auf das Bild der Frau an der Wand und wartete darauf, dass er weitersprach.
    »Ich habe sie aus dem Auto herausgezogen, getreten und geschoben, bis sie von allein gerollt ist…« Er hob den Kopf, und seine starren Augen waren wieder vor Anstrengung gerötet. »Ihre Kleider, die lagen alle noch im Auto, sie rochen nach ihr, überall dieser widerliche Geruch nach Haut und …« Er hustete, es war mehr ein trockenes Würgen, und wischte sich mehrmals heftig über den Mund. »Ich habe alles rausgeworfen. Nur die Schlüssel und den Geldbeutel habe ich behalten.« Er sah sie fast flehend an. »Aber ich wollte nichts stehlen. Niemals in meinem Leben habe ich etwas gestohlen!«
    »Das weiß ich«, beruhigte ihn Clara. »Es wurde ja auch nichts gestohlen. Sie wollten nur nicht, dass man sie sofort identifiziert, habe ich recht?«
    Gerlach nickte. »Und in der Geldbörse war das Foto einer Katze, und ich dachte … ich dachte … wenn jemand ein Foto von einem Tier im Geldbeutel hat, dann muss es ihm wichtig sein, nicht wahr? Eigentlich darf man sich keine großen Gedanken über ein Tier machen, nicht wie bei einem Menschen, es ist nur ein Tier … aber wenn es jemand im Geldbeutel stecken hat, das Foto, dann ist es wichtig, oder? Sehen Sie das nicht auch so?«
    Clara konnte nur staunen. Dieser Mann hatte eine nackte, sterbende Frau bei Eiseskälte mit den Füßen eine Böschung hinuntergetreten und machte sich, während die Frau noch um ihr Leben kämpfte, Gedanken um ihre Katze? Nun, sie war keine Psychologin, aber das schien ihr doch eine ziemlich merkwürdige Art zu sein, mit seinen Schuldgefühlen umzugehen.
    »Sie hätten die Frau ins Krankenhaus fahren können«, wagte sie sich vor.

    Gerlach schüttelte den Kopf. »O nein! Dann hätte man wissen wollen, was wir … gemacht haben, und außerdem hätte ich sie ja vorher wieder anziehen müssen…o nein, ich konnte sie nicht mehr berühren …« Er starrte auf seine Hände, und ein Schauer überlief ihn.
    Clara wartete einen Augenblick, dann sagte sie eindringlich: »Sie haben sich, ähm, falsch verhalten, Sie hätten die Frau nicht einfach so abladen dürfen, aber trotzdem sind Sie nicht schuld an ihrem Tod. Verstehen Sie mich? Gerlinde Ostmann wäre in jedem Fall gestorben. Sie hatte einen tödlichen Herzinfarkt. Niemand hätte sie retten können.«
    Gerlach reagierte nicht. Clara wusste nicht einmal, ob er sie überhaupt gehört hatte. Sie fuhr fort: »Es war kein Fehler, mit ihr schlafen zu wollen. Sie haben sie nicht getötet, und es war auch keine Strafe, dass sie gestorben ist.«
    »In jedem Fall gestorben …«, wiederholte Gerlach, und Clara hatte das Gefühl, dass er erst jetzt begriff, was sie sagte und was es bedeutete. »Aber wenn ich sie gar nicht getötet habe, warum hat der Kommissar mich dann so gnadenlos verfolgt? Warum hat er seine Frau auf mich gehetzt und dann auch noch Sie?« Gerlachs Blick war verwirrt wie der eines Kindes.
    Clara antwortete nicht gleich. Sie waren jetzt in einem gefährlichen Bereich, weil Gerlach davon ausging, dass sie wusste, wovon er sprach, und sie aber nur ahnen, nur raten konnte, was er meinte. Jetzt durfte sie keinen Fehler machen.
    »Kommissar Gruber hat Sie nicht verfolgt«, sagte sie vorsichtig und ließ Gerlach dabei nicht aus den Augen. »Er weiß gar nicht, wer Sie sind. Der Fall Gerlinde Ostmann wurde schon im letzten Jahr zu den Akten gelegt.«
    »Zu den Akten …« Gerlach schüttelte den Kopf. »Er hat nicht … nein, das kann nicht sein! Sie, Sie sind doch beauftragt
worden, mich zu jagen!« Seine Stimme war jetzt lauter geworden, und hinter seinen Augen flackerte wieder die unkontrollierbare Wut.
    »Ja! Aber nicht wegen Gerlinde Ostmann, sondern weil Sie Grubers Frau getötet haben! Deswegen suchen wir Sie!« Jetzt war es ausgesprochen. Sie schluckte hart und warf ihm einen bangen Blick zu. Es schien, als habe er bisher nur über Gerlinde Ostmanns Tod nachgedacht und sich schuldig gefühlt. Was würde passieren,
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