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Seelengift

Titel: Seelengift
Autoren: Veronika Rusch
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konnte man nicht in Worte fassen.
    Sie griff nach ihrem Füller, schraubte die Kappe auf und schrieb Grubers Namen auf den Block. Um irgendetwas zu tun. Um ihm Zeit zu geben.
    Endlich redete er weiter. »Sie wurde erwürgt. Mit bloßen Händen, wie es aussieht.« Gruber wandte den Blick vom Fenster ab und starrte seine eigenen Hände an. Hob und streckte sie, drehte sie hin und her und schloss sie dann ganz langsam um einen imaginären Hals.
    Clara fröstelte. »Hören Sie auf », bat sie, und ihre Stimme war alles andere als fest. »Bitte!«
    Er ließ seine Hände sinken. »Entschuldigung.« Er sprach nicht weiter. Wartete auf ihre Fragen.
    Clara zündete sich eine Zigarette an und wünschte, den Rauch so tief in ihre Lungen inhalieren zu können, dass nichts mehr davon herauskam. »Warum hat man Sie verhaftet?«, sprach sie endlich die Frage aus, die schon von Anbeginn im Raum stand. »Was für Verdachtsmomente sprechen gegen Sie?« Sie drückte sich absichtlich so vage, so betont anwaltlich aus, weil sie die andere Frage, die dahinterstand, nicht stellen wollte: Waren Sie es? Haben Sie Ihre Frau getötet?
    Auf Grubers Gesicht erschien wieder dieses bittere Lächeln, das sie schon kannte. Doch jetzt lag noch so etwas wie Wehmut darin. Und tiefe, bittere Trauer. »Ich war bei ihr. Die ganze Nacht.« Er schluckte, sah Clara nicht an. »Gegen fünf Uhr morgens bin ich nach Hause gegangen. Wegen der Arbeit. Wollte noch duschen und mich umziehen und … ein bisschen allein sein.«

    Clara runzelte die Stirn. Waren Gruber und seine Frau nicht seit einiger Zeit getrennt gewesen?
    »Wir hatten … Es sah so aus, als ob wir wieder …« Er konnte nicht mehr weitersprechen und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    Clara betrachtete angestrengt einen Punkt auf der Tischplatte. Nach einer Weile fragte sie: »Und der Todeszeitpunkt?«
    »Zwischen fünf und viertel nach fünf«, gab Gruber zurück.
    »So genau weiß man das?« Clara hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Der Nachbar von unterhalb hat genau um diese Zeit etwas gehört, er war schon wach, musste zur Arbeit. Er gibt an, Stimmen gehört zu haben. Und einen dumpfen Schlag. Aber es war ganz schnell alles wieder ruhig. Da hat er sich nicht weiter gekümmert.«
    »In ihrer Wohnung? Ihre Frau wurde in ihrer Wohnung getötet?« Clara war verwirrt. »Aber sie wurde doch im Englischen Garten gefunden?«
    Gruber nickte. »Man hat sie dorthin gebracht, als sie schon tot war. Im Kofferraum ihres eigenen Autos. Sie trug nur einen Morgenmantel. Den … den hat er ihr ausgezogen und sie nackt die Böschung zum Bach hinuntergestoßen. Dann ist er mit dem Auto zurückgefahren, hat es in der Tiefgarage geparkt, ist wieder in die Wohnung und hat den Schlüsselbund zurück an den Haken im Flur gehängt. Der Gürtel des Morgenmantels lag noch im Kofferraum.«
    Claras Zigarette war zwischen ihren Fingern ungeraucht heruntergebrannt. Sie drückte sie in den Blechaschenbecher.
    »Und was ist mit Fingerabdrücken?«

    »Keine, außer Irmis und meinen. Und noch ein paar unübersehbare Spuren meiner Anwesenheit.« Er verzog die Mundwinkel. »Außerdem hat man einen Blutfleck im Flur gefunden, der stammt von einer Wunde an ihrem Kopf. Sie ist gestürzt oder wurde gestoßen, hat sich dabei am Kopf verletzt und wurde dann erwürgt. Mit bloßen Händen.«
    »Woher weiß man, dass sie mit ihrem eigenen Auto transportiert wurde?«, fragte sie.
    »Es gibt Spuren von ihr im Kofferraum, Blut, Haare. Und der Gürtel ihres Morgenmantels lag noch drin.«
    Clara zögerte einen Augenblick, dann sagte sie vorsichtig: »Das klingt nicht gut für Sie.«
    Gruber schüttelte den Kopf. »Ich weiß. Es klingt nach einer klassischen Beziehungstat. Ein getrennt lebendes Ehepaar. Ein Versöhnungsversuch, die alten Konflikte brechen wieder auf, es kommt zum Streit, er läuft aus dem Ruder …« Er seufzte. »Ich hätte mich auch verhaftet.«
    Clara nickte langsam. »Aber warum wurde die Leiche fortgebracht? Das war doch höchst riskant. Warum sollte man so etwas tun? Ein Fremder käme doch wohl nicht auf die Idee …«
    »Es gibt keinerlei Hinweise auf einen Fremden!«, unterbrach Gruber sie heftig. »Warum sollte ein vollkommen Fremder um fünf Uhr morgens zu meiner Frau nach Hause kommen? Nur wenige Minuten, nachdem ich gegangen war? Der aufmerksame Nachbar unter ihr hat auch keine Klingel gehört. Nur das Klingeln am Vorabend. Das war ich.«
    »Aber …«, begann Clara ratlos.
    Gruber verzog das Gesicht zu einer
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