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Seelenband

Seelenband

Titel: Seelenband
Autoren: E Zeißler
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erklärte er nüchtern.
Valerie ließ sich davon nicht entmutigen. Es konnte ja nicht jeder nur herausragende Monumente oder bedeutsame Bauten errichten. Immerhin mussten Menschen auch irgendwo wohnen. "War das schon immer ihr Traum gewesen?" fragte sie daher nach.
"Meinen Sie Architektur oder die Einfamilienhäuser?" konkretisierte er lächelnd.
"Beides."
"Ich habe mich schon immer für Linien und Formen interessiert. Das mit den Häusern war allerdings ein Rat meiner Mutter."
"Wie meinen Sie das?"
"Nun, sie wollte nicht, dass aus mir ein brotloser Künstler wird."
"Hätten Sie es denn gewollt?" fragte Valerie neugierig.
"Sie meinen, entgegen dem Wunsch meiner Mutter?"
Verunsichert stellte Valerie fest, dass dieser Gedanke ganz neu für ihn zu sein schien. Mit seiner Frage hatte er sie derart aus dem Konzept gebracht, dass sie nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte. Aber das schien auch nicht nötig zu sein.
Simon beugte sich zu ihr vor. "Seien wir doch mal ehrlich, Eltern sind die besten Ratgeber, die ein Mensch sich nur wünschen kann", sagte er voller Überzeugung.
"Nun ja..." hob Valerie an, doch er ließ sie nicht ausreden.
"Es ist doch so", er erhob seine Hand und begann, seine Argumente an den Fingern abzuzählen, während er sprach. "Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind, sie haben die größere Lebenserfahrung, um beurteilen zu können, was dieses Beste ist, und ...", er machte eine künstlerische Pause, "sie haben einen gewissen Abstand zum zu lösenden Problem, sodass ihre Emotionen ihnen dabei nicht in den Weg kommen."
"Aber auch Eltern können sich irren", warf Valerie ein.
"Das mag uns ab und zu so vorkommen, aber im Gesamtzusammenhang ist auf ihr Urteil immer Verlass", widersprach er ihr energisch.
Valerie blickte ihn mit großen Augen an und war sehr erleichtert, als plötzlich der Kellner auftauchte und einen großen Teller Pasta vor ihr abstellte. Sie hatte auch ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern, aber sie war weit davon entfernt, ihnen Unfehlbarkeit zuzusprechen. "Sie scheinen ja eine besondere Beziehung zu Ihren Eltern zu haben", kommentierte sie schließlich diplomatisch, auch wenn sie bestimmt nichts mehr darüber hören wollte.
"Ja, meine Mutter ist meine beste Freundin", sagte er mit entwaffnender Ehrlichkeit. "Aber genug von mir, erzählen Sie mir doch etwas über sich. Was machen Sie denn beruflich?"
"Ich bin Lektorin."
"Oh, dann entscheiden Sie darüber, welches Buch wir als nächstes lesen?"
Valerie lachte. "Oh nein, davon bin ich noch weit entfernt, leider. Im Augenblick darf ich mich eher noch wegen Rechtschreibung, Ausdruck und Grammatik mit eingebildeten Autoren herumärgern."
"Und wieso machen Sie das?"
Sie nahm sich ein Stück Brot. "Weil ich eines Tages gerne darüber entscheiden würde, welche Bücher es wert sind, gelesen zu werden", sagte sie, während sie es langsam auseinander brach. Dann sah sie ihn neugierig an. "Was lesen Sie denn gern?"
"Fachliteratur. Und ab und zu ein Buch auf Empfehlung meiner Mutter."
Womit wir wieder beim Thema wären, dachte Valerie sarkastisch. Warum konnte sie nicht einmal einen normalen Mann kennen lernen, zumindest einen, der mit über 30 nicht den Eindruck erweckte, immer noch bei seiner Mutter zu wohnen.
Zumindest war das Essen gut und Valerie fragte sich, ob Simons Mutter ihm wohl genügend Taschengeld mitgegeben hatte oder ob sie ihn würde einladen müssen. Sie wusste, dass sie gemein war, aber sie konnte sich nicht helfen.
Während sie aßen, erzählte Simon ihr noch dies und jenes, aber sie hörte ihm kaum noch zu.
"Sollen wir noch einen Cappuccino trinken?" fragte sie, nachdem der Kellner die leeren Teller abgeräumt hatte.
"Wenn Sie möchten. Aber ich nehme keinen. Mutter mag es nicht, wenn ich so spät am Abend noch Kaffee trinke, dann schlafe ich schlecht."
Valerie konnte sich einen fassungslosen Blick nicht verkneifen. Gab es auch irgendeine Entscheidung, die dieser Mann selber fällte? Sie jedenfalls hatte ihre getroffen. "Na dann", sagte sie etwas abrupt, "sollten wir wohl zahlen." Sie griff nach ihrer Handtasche und holte ihre Geldbörse hervor.
"Aber nicht doch!" rief Simon aus. "Sie sind selbstverständlich eingeladen." Er winkte einen Kellner herbei.
"Danke", sagte Valerie und ließ ihre Handtasche wieder los. Das ist auch das mindeste, fügte sie in Gedanken hinzu.
Sobald Simon bezahlt hatte, verließen sie gemeinsam das Restaurant. Draußen wandte Valerie sich verlegen zu Simon um. Jetzt kam dieser peinliche
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