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Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)

Titel: Seele zum Anbeißen: Roman (German Edition)
Autoren: Irene Zimmermann
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an. Moment mal!, würde ich am liebsten rufen. Das ist
meiner
, und außerdem stehen wir kurz davor, mal wieder sehr vielversprechenden Sex zu haben.
    »Herr Dokter Dworrschatz ...«
    »Dvořák«, verbessert Rudolf, mild lächelnd, und lehnt sich wieder zurück, »wie der Komponist.«
    Und auf einmal ist nicht mehr die Rede davon, dass man sich unbedingt hinlegen müsse, im Gegenteil. Rudolf scheint plötzlich mit seinem Stuhl verwachsen zu sein, reagiert nicht, obwohl ich nochmals meinen Fuß wandern lasse, und nickt sogar zustimmend, als Wolfgang meint: »So jung kommen wir nicht mehr zusammen. Wir haben da noch einen ausgezeichneten Birnenschnaps, Rudolf, so einen hast du deiner Lebtag noch nie getrunken.«
    »Etzt kenntet mir au alle Brüderschaft trinke«, schlägt das Miststück allen Ernstes vor. »Zumindest mit Ihne, Herr Dokter, mit de andre bin i ja scho per Du.« Sie zwinkert mir zu. »Doro, du hasch doch nix dagege, wenn i deinen Dokter a bitzle ...«
    Ein Röcheln verhindert das Schlimmste. Papa, der bis jetzt schweigend, aber mit viel Appetit gegessen hat, greift sich mit beiden Händen an den Hals und sackt nach vorn, haarscharf an der Flasche mit Birnenschnaps vorbei, die Wolfgang gerade mit Kennermiene auf den Tisch gestellt hat. In Sekundenschnelle ist bei Moni die Deinen-Doktor-a-bitzlesonst-was-Stimmung vorbei; auch sie ist aufgesprungen und starrt auf Papa, der vergeblich versucht, den Kopf anzuheben und dabei Unverständliches lallt.
    »Papa!«, rufe ich und fühle mich einen Moment so entsetzlich hilflos. Ich beuge mich über ihn, halte seinen Kopf hoch, während Renate auf seinen Rücken klopft.
    »Das hilft immer«, meint sie. »Das macht man auch bei kleinen Kindern so.« Täusche ich mich, oder gibt mein Vater tatsächlich ein unwilliges Brummen von sich? Das Röcheln jedenfalls verstummt.
    »Nichts Tragisches«, verkündet Wolfgang, nachdem er Papas Puls gefühlt hat. »Am besten bringen wir ihn gleich ins Bett. Ich glaube, das Essen hat ihn zu sehr angestrengt. Rudolf? Kannst du mir helfen?«
    Mein Herzallerliebster nickt zwar, aber selbst ein Blinder könnte sehen, dass er es vorziehen würde, neben dem Miststück sitzen zu bleiben, Papas Schnaps zu trinken und sich anhimmeln zu lassen.
    »Abr Sie kommet doch wieder, gell?«, säuselt sie. »Wo mir uns grad so gut verstanda hend.«
    »Aber natürlich«, gibt Rudolf zurück. »Moni, Ihnen kann man doch nichts abschlagen.«
    Er zwinkert mir dabei zwar zu, aber ich weiß, er meint es ernst. Und ich könnte ihn dafür erwürgen. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag überlege ich, ob es wirklich eine so gute Idee war, Rudolf zu dieser Reise zu überreden. Zuerst war es eher als Spaß gemeint, er hatte gefragt: »Kann ich dich da überhaupt allein hinfahren lassen? Ins wilde Oberschwaben?« Dann war der Plan aber konkreter geworden, und am Schluss hatte ich darauf bestanden. Als Liebesbeweis sozusagen. Eine wichtige Rolle dabei spielt die Tatsache, dass Sharon, seine Ex, angeblich wieder in Berlin ist. Also fand ich es beruhigender, Rudolf hier bei mir zu wissen als in einer Stadt, in der erheblich mehr Verführungspotenzial lauert als in Aulendorf.
    Wie hätte ich auch mit Moni rechnen können!
    Während die beiden Männer Papa nach oben bringen, breitet sich im Esszimmer ungemütliche Stille aus, lediglich unterbrochen von Monis unermüdlichem Besteckgeklapper. Ohne zu fragen, hat sie nach der Schüssel gegriffen und sich den letzten Rest Kartoffelsalat auf den Teller geladen. »Hättesch du no a bitzle Ketschup?«
    Renate schüttelt den Kopf. »So ebbes wie Ketschup kommt mir it in mei Küch«, murmelt sie. Gedankenverloren kaut sie auf ihrer Unterlippe herum und gießt sich schließlich einen Schnaps ein. Aber sie trinkt nicht, stattdessen zeichnet sie mit dem Glas das Muster der Tischdecke nach. Ich sehe ihr an der Nasenspitze an, dass sie unschlüssig ist. Auf wessen Seite soll sie sich schlagen? Auf die ihrer alten Sportsfreundin Moni, mit der sie vor Jahren jeden Donnerstagnachmittag auf dem Tennisplatz verbracht hat? Mit der sie früher bei jedem Zunftball war und bei jedem Narrensprung – und mit der sie garantiert jede Menge Geheimnisse teilt?
    Schließlich siegt die familiäre Solidarität – wenn auch nur angeheiratet – und sie sagt: »Moni, i glaub, mir müsset unseren Bsuch heut ersch amol in Ruh lasse. Des war doch alles ziemlich anschtrengend für die zwoi. Woisch was? Du kommsch oifach a anders Mol. Was moinsch? Isch des a
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