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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie
Autoren: emons Verlag
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Begleiter hinter dem Steuer
war von gedrungenem Körperbau, die buschigen Augenbrauen und der Knebelbart
ließen auf eine südländische Abstammung schließen. Ohne abzusetzen, trank er
den Becher bis zur Hälfte leer und rülpste zufrieden. Wie hätte er auch ahnen
können, dass dieser Trank seinen Tod bedeutete!
    Erstaunlich, wie leicht er ihm
alles gemacht hatte. Wie ein Lamm zur Schlachtbank war er ihm gefolgt, hatte
keine Zweifel geäußert, keine Fragen gestellt, obwohl der angebliche Termin
beim Chef nichts Gutes bedeuten konnte. Na ja, selbst schuld!
    Eben setzte er den Becher ein
zweites Mal an die Lippen und trank ihn bis zur Neige leer. Die Wirkung war
frappierend. Wie von einer plötzlichen Müdigkeit übermannt, fielen ihm die
Augen zu, langsam sank sein Kopf an den Seitenholm. Der Bärtige gab kein
Lebenszeichen mehr von sich.
    Der Beifahrer stieg aus und tat,
als würde ihn das plötzliche Schlafbedürfnis des neben ihm Sitzenden nicht sonderlich
wundern. Unauffällig sah er sich um, doch da war nichts, was seine
Aufmerksamkeit erregt hätte. Schnell entledigte er sich der hautfarbenen
Latexhandschuhe, die er die ganze Zeit über getragen hatte, und steckte sie in
seine Jackentasche.
    Im Weggehen wollte er sich eine
Zigarette anstecken – als ihn ein schneidender Zuruf erstarren ließ. »Können
Sie nicht lesen, Mann? Hier ist Rauchen strengstens verboten! Oder wollen Sie
uns alle in die Luft jagen?« Einer der Schiffsleute kam auf ihn zu. Die
umgehängte Ledertasche wies ihn als Kassier aus.
    Verdammt, wie hatte er diesen Typen
nur übersehen können? Beinahe hätte er alles vermasselt! Hastig machte er eine
begütigende Handbewegung und entschuldigte sich, während er den Glimmstängel
zurücksteckte. Ohne eine Miene zu verziehen, zog der Kassier einen kleinen
Kassencomputer aus der Tasche, die er vor dem Bauch trug, und tippte etwas ein.
Nachdem er ihm die ausgedruckte Quittung überreicht und das Fahrgeld kassiert
hatte, verschwand er pfeifend im Treppenaufgang.
    Wütend über sich selbst stampfte
der Beifahrer mit dem Fuß auf. Was war nur los mit ihm? Ließen ihn seine Nerven
im Stich? Er griff durch das Fenster der Fahrertür und legte die Quittung auf
die Mittelkonsole.
    »Nichts als Ärger hat man mit dir«,
murmelte er halblaut. »Aber damit ist jetzt Schluss, Freundchen. Versprochen!
Du hast wohl gedacht, Frechheit siegt, was? Von wegen! Hättest eben etwas
bescheidener sein sollen. Bescheidenheit verlängert das Leben.«
    Wie zur Bestätigung ertönte in dieser
Sekunde ein gewaltiger Donnerschlag. Fast gleichzeitig setzte sintflutartiger
Regen ein, prasselte auf den stählernen Schiffskörper und verursachte einen
Lärm, als würden alle Wagen gleichzeitig gestartet.
    Die Laune des Mannes besserte sich
schlagartig. Bei diesem Wetter würde niemand bemerken, dass ein Fußgänger mehr
von Bord ging. Zufrieden lächelnd steuerte er die Treppe an, die zum Oberdeck
führte.

5
    »Guten Morgen. Gibt’s Kaffee?« Wolf stürmte
so flott an seinen beiden Mitarbeitern vorbei, dass ihm beinahe das Barett vom
Kopf gerutscht wäre, und verschwand in seinem Büro.
    Kalfass telefonierte und nahm vom Auftritt seines
Chefs nicht die geringste Notiz. Jo starrte für einen kurzen Moment den
Türrahmen an, durch den Wolf soeben gerauscht war. Dann antwortete sie ebenso
kurz und bündig: »Kaffee ist alle.«
    Wolfs Kopf erschien wieder in der Tür. »Was soll das
heißen: Kaffee ist alle?«
    Statt einer Antwort wies Jo auf seine Füße. »Sie haben
wieder vergessen, Ihre Hosenklammern zu entfernen. Sieht nicht besonders sexy
aus.«
    Wolf hatte nach dem Tod seiner Frau vor zehn Jahren
sein Auto verkauft und sich ein Fahrrad angeschafft. Seitdem radelte er jeden
Morgen vom nahen Nussdorf nach Überlingen und abends wieder zurück, egal,
welches Wetter und welche Jahreszeit herrschten. Mehr als einmal war er
triefend vor Nässe im »Aquarium« eingetroffen.
    Während er die Klammern abnahm, sah er Jo an. »Das ist
keine Antwort auf meine Frage.«
    »Ludger meint, Kaffeekochen sei Frauensache. Als ob
das genetisch bedingt sei! Ich habe die ganzen letzten Wochen welchen gekocht,
jetzt ist Ludger dran – oder es gibt eben keinen. Basta!« Dabei starrte sie
angelegentlich auf Ihren Monitor.
    Kalfass hatte sein Gespräch inzwischen beendet.
    »Wo sie recht hat, hat sie recht. Also, Ludger, hebe
deinen Hintern und brühe welchen auf.« Damit wandte Wolf sich wieder um.
    »Davon steht nichts in meinem Vertrag,
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