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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie
Autoren: emons Verlag
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ebenmäßige, weiche
Gesichtszüge, die von kurzen, goldblonden Strähnen umrahmt wurden. Sie stand an
der Schwelle vom Kind zur Frau, wirkte gleichzeitig mädchenhaft und doch schon
voll entwickelt, unschuldig und doch wissend. Aus ihr, dachte Wolf, wäre
zweifellos eine Schönheit geworden. Lediglich die großen Pupillen in den noch
immer offenen Augen und die bleiche, wächserne Gesichtsfarbe deuteten darauf
hin, dass sie ihr Leben ausgehaucht hatte.
    »Wer hat sie gefunden?«, fragte Wolf.
    »Ein Gruppe Radler. War mehr oder weniger Zufall«,
sagte der Uniformierte. »Einer von ihnen hat uns verständigt. Die Personalien
der Leute haben wir.«
    »Sehr gut«, sagte Wolf. Er begrüßte den Notarzt und
den Kollegen von der Wasserschutzpolizei.
    »Wie sieht’s aus, Doc? Schon ein Ergebnis?«
    »Sie sind gut, wie soll das gehen, hier am See? Alles,
was ich sagen kann, ist, dass der Tod vor acht bis zehn Stunden eingetreten
ist. Sieht aus, als wäre sie ohne Gewalteinwirkung gestorben. Klarheit haben
wir aber erst, wenn die Lunge untersucht wurde. Was mir zu denken gibt, sind
die großen Pupillen und die tiefen Augenringe.«
    Wolf überlegte kurz. »Sie denken an Rauschgift?«
    »Könnte sein. Aber vielleicht irre ich mich. Auf jeden
Fall würde ich raten, die Tote in die Pathologie des Kreiskrankenhauses schaffen
zu lassen.«
    »Ich habe den Abtransport der Leiche bereits in die
Wege geleitet«, warf der Uniformierte ein.
    »Gut«, sagte Wolf und wandte sich noch einmal an den
Arzt. »Eine Drogensüchtige bei einem Tauchgang – gibt’s das?«
    Der Mediziner zuckte mit den Schultern.
    Wolf hockte sich neben Jo, die gerade die
Tauchausrüstung der Toten unter die Lupe nahm. Er blickte zu den beiden
Kollegen hoch und fragte: »Irgendeinen Hinweis auf ihre Identität?«
    Beide schüttelten die Köpfe. »Nein, nichts.«
    »Eines kommt mir merkwürdig vor, Chef«, ergriff Jo nun
das Wort. »Sehen Sie sich diesen Taucheranzug an. Ein sogenannter Trockenanzug,
den tragen nur besonders erfahrene Taucher. Dafür scheint sie mir aber zu jung.
Und hier, auch das passt nicht zusammen …« Sie hob eines der Beine der Toten
aus dem Wasser. »Sie trägt die Flossen ohne Füßlinge.«
    »Füßlinge?«
    »Das sind speziell für den Tauchsport entwickelte,
dünne Schuhe. Sie halten warm und schützen gleichzeitig vor Verletzungen.«
    Wolf kramte fahrig seine Zigaretten hervor, schob sich
eine davon zwischen die Lippen und zündete sie an. »Und dass die fehlen, ist
unüblich, nehme ich an?«
    »Ja. Ganz besonders bei Fersenbandflossen, wie sie die
Tote trägt.«
    Wolf richtete sich auf. Dabei warf er die nur wenig
angerauchte Zigarette in den See, ohne die missbilligenden Blicke der
Umstehenden zu bemerken.
    »Sehen Sie mal hier, Chef.« Jo deutete auf ein dünnes,
lilafarbenes Lederbändchen, das die Tote um den Hals trug. Vorsichtig zog sie
es aus dem Taucheranzug, bis ein kleines Amulett aus mattem Silber zum
Vorschein kam. Es war ein stilisierter Fisch, durch dessen Auge das Bändchen
geführt worden war.
    Wolf nahm das filigrane Schmuckstück in die Hand, um
es genauer zu betrachten. »Wahrscheinlich eine Halskette und weiter nichts.
Hilft uns bei der Identifizierung der Toten wohl nicht weiter, oder?«, sagte er
und legte es zurück.
    »Da bin ich mir nicht so sicher.« Nachdenklich legte
Jo ihre Stirn in Falten.
    »Würdest du mich eventuell an deinem Wissen teilhaben
lassen?«
    »Liebend gern, Chef, aber leider lässt mich mein
Gedächtnis im Stich. Jedenfalls bin ich mir sicher, das Emblem schon mal
gesehen zu haben.«
    »Denk nach! Es könnte wichtig sein«, drängte Wolf.
    »Hilft nichts. Sie wissen ja, wie das ist: Es lässt
sich nicht erzwingen.«
    »Geht mir ähnlich«, mischte sich der Arzt ein.
»Irgendwo hab ich das Ding auch schon gesehen. Aber wo? Ich komm nicht drauf.«
    »Junge, Junge«, spöttelte Wolf. »Wie werdet ihr
hirnmäßig drauf sein, wenn ihr erst mal in mein Alter kommt?« Er sah zur Straße
hinüber, wo inzwischen ein weiteres Fahrzeug eingetroffen war. Zwei Männer in
grauen Arbeitsmänteln luden eine lange Aluwanne aus. »Okay, Leute, mehr können
wir hier nicht tun. Ihr könnt sie wegbringen lassen. Er wandte sich an den
Uniformierten. »Würdest du den Männern drüben den Weg zeigen? Danke. Wenn die
Leiche weg ist, können wir abrücken.«
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