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Seehaie

Seehaie

Titel: Seehaie
Autoren: emons Verlag
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gut und gerne hundertachtzig
Stundenkilometer auf die Straße brachte. Damit käme er ja notfalls noch klar,
besäße Jo nicht gleichzeitig den Ehrgeiz, ihrem Renn-Ei auf jeder Strecke die
maximale Leistung abzufordern – wenn möglich, sogar etwas mehr.
    Nun, er hatte es überlebt. Jo hatte den Beetle unweit
einer Reihenhauszeile an einem recht steilen Hang oberhalb von Ludwigshafen
geparkt. Nach Südosten öffnete sich der Blick weit über den Überlinger See, an
klaren Tagen waren von hier aus sogar die schneebedeckten Gipfel der
Zentralschweiz zu sehen.
    Wolf drehte sich um. Vier der fünf dem See zugewandten
Reihenhäuser wirkten wie aus dem Werbespot einer Bausparkasse: Hängegeranien am
Balkon, sauber angelegte kleine Vorgärten, auf den Terrassen bunte Sonnenschirme
mit Sitzgruppen.
    Nur das letzte Haus fiel etwas aus dem Rahmen. Keine
Gardinen an den Fenstern, der Aufgang moosbewachsen, der Garten ungepflegt.
    »Sieht aus, als wäre den Plocs auf halbem Weg das Geld
ausgegangen«, brachte Jo die Sache auf den Punkt.
    »Die wollten hier sicher ihren Traum vom Leben im
gelobten Westen verwirklichen. Für Leute von drüben«, er wies mit der Rechten
unbestimmt nach Osten, »dauert das eben etwas länger.« Dann seufzte er. »Komm,
lass uns Plocs Frau suchen gehen.«
    Sie stiegen die Treppe zum Hauseingang hoch. Als auf
ihr Klingeln niemand öffnete, klopften sie mehrmals laut an die Haustür. »Frau
Ploc! … Hallo … Frau Ploc!« Ihre Rufe lockten jedoch nur die Nachbarin aus dem
Haus, eine ältere, grauhaarige Frau mit leicht verkniffenen Gesichtszügen.
    »Wenn Sie die Ploc suchen, die ist nicht da.«
    »Guten Tag, mein Name ist Louredo, Kripo Überlingen.
Das ist Hauptkommissar Wolf. Wissen Sie, wo wir sie finden können?«, fragte Jo.
    »Da sind Sie schon die Zweite, die das wissen will.«
    »Wer noch?«, gab Jo erstaunt zurück.
    »Na, die Frau eben.«
    »Welche Frau?«, fragte Jo begriffsstutzig.
    »Sie meinen sicher die Frau mit dem blauen
Sportwagen?«, fragte Wolf ahnungsvoll.
    »Genau. Was wollen Sie denn von der Ploc?«
    »Wissen Sie, wo wir sie finden können?«, ignorierte
Wolf ihre Neugier.
    Die Frau schien enttäuscht. »Gehen Sie hier die Straße
weiter, am Ende zweigt rechts ein Feldweg ab, den Berg hinauf. Oben liegt das
Erdbeerfeld von Bauer Ostberg, dort wird sie pflücken. Sie pflückt jeden Nachmittag.«
Den letzten Satz sprach sie aus, als handle es sich bei dieser Tätigkeit um
eine unzüchtige Handlung.
    »Na also, geht doch«, murmelte Wolf und wandte sich
zur Straße.
    »Haben Sie vielen Dank, und schönen Nachmittag noch«,
rief Jo über die Schulter zurück.
    Wenigstens war die Wegbeschreibung der Nachbarin
brauchbar. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie den Acker erreichten. Vorne
am Weg stand ein Traktor mit Anhänger, auf dem die vollen Körbe gesammelt
wurden. Über das Feld verteilt bückten sich gut und gerne zwanzig Personen,
zumeist Frauen, nach den Früchten, deren aromatischer Duft überall in der Luft
hing.
    Wolf ging auf den Mann am Anhänger zu und stellte sich
vor. »Herr Ostberg, nehme ich an?«
    »Richtig. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ist unter Ihren Leuten eine Frau Ploc?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«, fragte der Bauer
misstrauisch zurück.
    »Wir müssen uns kurz mit ihr unterhalten. Könnten Sie
sie bitte herbeirufen? Das wäre sehr freundlich.«
    Ostberg wollte etwas erwidern, lief dann jedoch ein
paar Schritte auf den Acker und stieß einen gellenden Pfiff aus. Zwanzig Köpfe
fuhren hoch. »Sonja«, brüllte Ostberg und winkte. Eine Frau löste sich aus der
Gruppe und kam näher.
    Sonja Ploc war etwa so alt wie ihr Mann. Auch bei ihr
hatten entbehrungsreiche Jahre ihre Spuren hinterlassen. Trotz der Hitze trug
sie ein Kopftuch, auf ihrer Nase saß eine altmodische Hornbrille.
    Wolf dankte Ostberg und nahm die Frau etwas zur Seite.
»Frau Ploc, mein Name ist Wolf, Kripo Überlingen. Das ist meine Kollegin Frau
Louredo. Bitte entschuldigen Sie unseren Überfall …«
    Mit hartem slawischem Akzent fuhr sie ihm ins Wort:
»Wir haben Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, bei uns ist alles in Ordnung …«
    Jo beruhigte sie. »Deshalb sind wir nicht hier, Frau
Ploc. Wissen Sie, wo sich ihr Mann aufhält?«
    »Bei der Arbeit, wo sonst?«
    »Wo arbeitet ihr Mann?«
    »Stani ist Lkw-Fahrer bei Hohmann … guter Fahrer.«
    Dem Bauunternehmer Karlheinz Hohmann gehörte die
Hohbau G mb H , ein
Unternehmen, das viele wichtige Bauprojekte am Bodensee
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