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Sechseckwelt 03 - Entscheidung in der Sechseck-Welt

Titel: Sechseckwelt 03 - Entscheidung in der Sechseck-Welt
Autoren: Jack L. Chalker
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bleibt Joshi. Ich habe ihn gut leiden können, und er war nützlich für mich. Er war etwas, das ich brauchte. Aber ich bin sicher, ich hätte niemals…« Ihre Stimme stockte. »Nie für ihn tun können, was er für mich getan hat. Er hat sein Leben gegeben, um das meine zu retten. Warum?«
    »Vielleicht, weil er dich liebte«, sagte der Computer. »Liebe ist das am meisten mißbrauchte Wort in der Geschichte. Es bedeutet einfach, daß einem andere wichtiger sind als die eigene Existenz. Es ist ein Maß von Größe, das in einem sonst recht armseligen Universum selten aufblitzt. Es ist das, was die Markovier verloren haben, denn Gottheit ist von Natur aus egoistisch. Sie verloren die Fähigkeit, sich für andere einzusetzen, nicht nur zu nehmen, sondern auch zu geben, andere zu lieben, wie man selbst geliebt sein möchte. Ihr Fluch war die hohle Leere in ihnen, als die Fähigkeit zur Liebe erstarb. Ihre Tragödie war so unermeßlich, daß sie sie nicht einmal mehr begriffen.«
    Sie rümpfte die Nase.
    »Und ich? Es steckte auch nicht in mir, Obie. Andere haben mich wohl geliebt – Brazil, meine Eltern und Großeltern und vor allem Joshi –, aber ich habe die Liebe nie erwidert, sie nie erwidern können. Ich weiß nicht, wie man das macht. Ich verstehe dich jetzt auch nicht.«
    »Als Joshi starb, hast du geweint«, erinnerte der Computer sie leise. »Jetzt fühlst du dich verloren, läßt dich vom Selbstmitleid niederdrücken, aber du hast es in dir, reifer zu werden, es zu lernen, Mavra Tschang.«
    »Auch eine der Eigenschaften, die du hervorrufst, wenn man bei dir durchläuft?« fragte sie.
    »Das läßt sich nicht messen«, erwiderte Obie. »Deshalb konnten die Markovier auch nicht dahinterkommen. Deshalb auch werden die Gedemondas scheitern. Sie haben sich vom Rest der Menschheit abgekehrt. Alle ihre Energien sind darauf gerichtet, das Element herauszuschälen, es zu quantifizieren. Und eben damit unterdrücken sie ihr eigenes Potential, anderen etwas zu geben.« Er schwieg kurze Zeit. »Wie die Markovier bist du gezwungen, dem Unmeßbaren gegenüberzutreten, etwas, das man nicht berühren, nicht definieren kann, außer durch das Beispiel, und deine eigene egoistische Natur zerfrißt dich, damit dein Ich zerstört werden kann. Du wirst sterben, wie die Markovier schließlich sterben wollen, aber sogar ohne ihre edlen Motive. Es ist Ironie, daß ihr Opfer Zeichen einer Haltung war, derer sie sich gar nicht mehr für fähig hielten.«
    Sie lachte tonlos.
    »Ich sehe einfach keinen Gewinn, keinen Grund. Als Bettlerin habe ich erfahren, daß Wohltätigkeit zumeist aus dem Schuldbewußtsein kommt. Ich verdiene den Tod.«
    »Nein«, sagte Obie. »Du hättest dich tausendmal töten können, allein in den letzten Tagen. Willst du deshalb dieses unbequeme Äußere beibehalten? Strafe für dein Schuldbewußtsein? Paß auf, ich lasse dir Wahlmöglichkeiten. Willst du ein Tier sein? Ich stelle dich hin, wo du sein willst, so, wie du bist oder sein möchtest. Willst du eine Königin sein? Such dir eine Rasse aus. Alles, was du willst, wo du willst, lebendig, tot, produktiv, zerstörerisch. Was willst du? Ich sorge dafür, daß es sich erfüllt. Oder – schließ dich mir an, die nahezu grenzenlosen Sterne zu erforschen, zu helfen, wo ich kann. Zu lernen. Sich den Herausforderungen zu stellen, die kommen werden. Bald werden unsere menschlichen Verwandten mit nicht nur einer, sondern mehreren fremden Kulturen zusammentreffen. Sollen sie zusammenprallen und zum Untergang verurteilen oder sich miteinander verflechten und entwickeln? Willst du mit mir an solchen grandiosen Projekten arbeiten, oder läßt du zu, daß dein Schuldbewußtsein und dein Selbstmitleid dich in eine Hölle der schlimmsten Art versetzen, weil du sie selbst schaffst? Sag es mir. Laß dir Zeit – wir haben viel Zeit, vielleicht alle Zeit, die es gibt.«
    Wieder dachte sie an die Worte der Gedemondas.
    Zuerst mußt du in die Hölle hinabsteigen. Erst wenn es keine Hoffnung mehr gibt, wirst du erhoben auf den Gipfel erreichbarer Macht, aber ob du weise genug sein wirst, zu wissen, was du damit tun sollst oder nicht tun sollst, ist uns verschlossen.
    Sie hatte die Hölle einmal als das Fehlen jeder Hoffnung definiert, und Obie hatte Schuldbewußtsein und Selbstmitleid hinzugefügt, also war sie wahrhaftig in die Hölle geraten.
    Sie schüttelte verwirrt und staunend den Kopf, nicht fähig, die neuen Empfindungen zu verstehen oder zu beherrschen, die in ihr
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