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SECHS

SECHS

Titel: SECHS
Autoren: Niels Gerhardt
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musste daraus ja auch nicht gleich eine Beziehung werden. Ihm kamen die Worte von Franz I. in den Sinn: „Wenn man als Erstes an die Fertigstellung eines Vorhabens denkt, würde man es nie beginnen.“
    Zwar meinte er in ihrem verlegenen Verhalten subtile Signale weiblicher Sympathie entdeckt zu haben, aber vielleicht täuschte er sich auch. Möglicherweise war ihr der Lapsus mit dem nicht anspringenden Wagen einfach peinlich gewesen. Wie auch immer. Er würde einfach sehen, wie sich das entwickelte. Die Einladung zum Kaffee, so sie denn käme, könnte ein Anfang sein.
    Das Telefon klingelte als er mit den Händen gerade tief im Spülwasser steckte. Hastig wischte er sich trocken und hob ab.
    Die erste Absage!
    „David“, meldete sich Ben.
    „Benjamin David?“, sagte eine weibliche Stimme.
    „Ja.“
    „Herr David, mein Name ist Zedler. Polizeidienststelle Marzahn.“
    Ben war überrascht, dachte sich aber noch nichts dabei.
    „Ich ermittele in der Unfallsache Liebermann. Wir haben ...“
    „Kenne ich nicht. Wer ist das?“, unterbrach Ben die Frau.
    Die ging nicht darauf ein, sondern redete weiter.
    „Wir haben Ihre Visitenkarte gefunden. Weil sie beide“, sie räusperte sich, „jüdisch klingende Nachnamen haben, dachten wir, sie sind vielleicht verwandt? Die Schwester von Frau Liebermann konnten wir bis jetzt nämlich nicht erreichen.“
    Nun dämmerte es ihm.
    „Meinen Sie Anna?“
    Am anderen Ende raschelte Papier.
    „Ja, das ist ihr Vorname“, bestätigte die Polizistin.
    Die anfängliche Neugier verwandelte sich in Aufregung.
    „Was ist passiert?“
    Wiederum, ohne auf seine Frage einzugehen, fuhr Zedler fort.
    „Darf ich fragen, in welchem Verhältnis Sie zu Frau Liebermann stehen? Als Verwandter können Sie ...“
    „Ich kenne sie nicht wirklich“, unterbrach er sie.
    „Um genau zu sein, habe ich sie heute das erste Mal gesehen. Ich habe ihr heute Morgen geholfen, den Wagen anzuschieben.“
    „Aha. Hatten Sie irgendwie den Eindruck, dass der Wagen nicht verkehrssicher war oder Frau Liebermann in irgendeiner Weise nicht geeignet, ein Fahrzeug zu führen?“
    „Der Wagen lief einwandfrei. Es war wohl nur eine schwache Batterie“, antwortete Ben bestimmt. Die Fragerei nervte ihn!
    “Können Sie mir mal bitte verraten, was eigentlich passiert ist?“, blaffte er ungeduldig.
    „Frau Liebermann wurde in einen Verkehrsunfall verwickelt. Wir ermitteln noch wegen fahrlässiger Körperverletzung.“
    „Gegen wen?“, fragte Ben überrascht.
    „Gegen Frau Liebermann.“
    „Ist ihr etwas passiert?“
    „Nicht nur ihr“, antwortete Zedler und dabei schwang ein Hauch von Zynismus in ihrer Stimme mit.
    „Frau Liebermann wurde in die Unfallchirurgie eingeliefert.“
    „Wo genau?“, fragte Ben hastig.
    „Ins Unfall ... das darf ich Ihnen nicht sagen. Herr David, dürfte ich Sie bitten, bei der Wache vorbeizukommen, wenn Ihnen noch irgendwas einfällt? Vielleicht melden wir uns auch noch einmal.“
    Abwesend nickte er.
    „Herr David?“
    „Ja, ist gut“, sagte er.
    „Schönen Tag noch!“, verabschiedete sich Zedler. Dann legten beide auf.
    Ben fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Was sollte er tun? Sollte er überhaupt etwas tun? Er kannte Anna ja nun überhaupt nicht. Einfach so aufzukreuzen, könnte ihr vielleicht nicht passen. Außerdem sah er sich schon mitten in die um das Krankenbett versammelte Familie hineinplatzen. Und das wiederum gefiel ihm nicht.
    Trotzdem: Er musste einfach wissen, wie es ihr geht.
    Am Mute hängt der Erfolg! Er mochte Fontane.
    Zehn Minuten später saß er auf dem Fahrrad und war in Richtung des Krankenhauses unterwegs. Um welches es sich handeln musste, hatte sich Ben problemlos zusammengereimt.

-15-
     
    Noch vor Melanie und Ben traf Sirkowsky im Krankenhaus ein. Er baute sich vor der Anmeldung auf. Sie war unbesetzt. Also schlug er fordernd auf die Klingel. Man ließ ihn eine geschlagene Minute warten, bevor eine übergewichtige Empfangsdame, die sich eilig ein paar Krümel aus dem Mundwinkel wischte, hinter die Glasscheibe watschelte. Weder das Eine noch das Andere besserte seine Laune.
    Oh, nein! Ganz und gar nicht.
    „Ja?“, kam es knackend durch die Sprechanlage.
    Sirkowsky ging nahe ans Mikrofon.
    „Wo sind die Unfälle? Wo liegen die?“ Um die Sprechanlage herum beschlug die Scheibe.
    Die Frau, deren Namenschild sie als 'Karolin Gerber' identifizierte, glotzte ihn so dämlich an, dass er beschloss, sich ihren Namen zu merken. Für alle
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