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Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian
Autoren: Anne Bishop
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zu finden erwartete.
    Als sie weiterliefen, ließ das Licht der Fackel schließlich das andere Ende der Gasse erkennen. Alle drei blieben stehen. Der Atem des Bullendämons klang auf einmal hart und keuchend.
    Die Leiche des Sukkubus, die sie vor einer Woche gefunden hatten, war übel zugerichtet gewesen. Aber diese hier sah schlimmer aus. Viel schlimmer. Die Leiche war weiblich und so verstümmelt, dass er nicht sagen konnte, ob er sie vorher schon einmal im Pfuhl gesehen hatte - er konnte noch nicht einmal mit Gewissheit sagen, ob das, was da über die Gasse verteilt war, wirklich weiblich war.
    »Menschlich«, flüsterte Teaser.
    Sebastian zuckte zusammen, und der schreckliche Bann, in den ihn der Anblick der Leiche geschlagen hatte, zerbrach. Er riss den Blick von ihr los und sah Teaser an. »Erkennst du sie?«
    Teaser erschauderte. »Der Armreif. Sie trägt immer diesen breiten Goldarmreif. Hat einen reichen Mann. Sie ist eine fiese Schlampe, die im Bett gern raue Spiele spielt. Ihr Ehemann hat’s gern bodenständig, also kommt sie hier her, um ein bisschen was Unanständiges zu erleben.«
    Nun wird sie überhaupt nichts mehr erleben, dachte Sebastian, dem es nicht behagte, dass Teaser von der Frau sprach, als ob sie jeden Moment aufstehen und sie auslachen würde, weil sie auf ihren ekelhaften Scherz hereingefallen waren.
    »Lasst uns -«, Angst packte ihn plötzlich mit eiskalten Händen am Genick.
    »Habt ihr das gehört?«
    Der Bullendämon wackelte mit den Ohren und schnaubte. Sebastian hatte keine Ahnung, ob das ja oder nein hieß.
    Mit einem Mal fühlte sich der Boden wieder weich an, fließend. Und er hätte bei allem, was ihm lieb und teuer war, schwören können, dass er ganz in der Nähe ein leises, bösartiges Lachen gehört hatte.
    Er kannte den Pfuhl. Kannte diese kleinen Gassen genauso gut, wie er die großen Straßen kannte. Etwas stimmte hier nicht.
    »Lasst uns gehen«, sagte er, während er sich von der Leiche entfernte. Bewegte sich dort oben etwas an der Wand? Etwas, das sich gerade außerhalb des Fackelscheins hielt? »Teaser, lass uns gehen.«
    Die Gasse war nicht lang, aber es schien ihm, als müsse er sich für jeden Schritt stundenlang anstrengen, um ihn zurücklegen zu können.
    Sie hatten die Hälfte des Weges bis zur Straße und der wartenden Menge geschafft. Er drehte sich wieder um und konzentrierte sich auf Philo und Mr Finch, zwei Menschen, die den Pfuhl gefunden und sich hier niedergelassen hatten.
    Da hörte er es. Ein leises Kratzen, so als ob sich etwas an der Wand entlangschob.
    Er dachte nicht nach. Er hatte keine Zeit zum Nachdenken, denn er war sich sicher, dass er, wenn er nicht  jetzt aus dem Durchgang floh, genauso enden würde wie die Frau. Oder schlimmer.
    Er rannte auf den Ausgang der Gasse zu. Zwischen einem Schritt und dem nächsten dehnte sich das Sträßchen wie warm gewordenes Karamell, und die Menge, die ihn erwartete, verschwand, als der harte Boden zu Sand wurde, der das Laufen erschwerte, der seine Schritte verlangsamte. Im nächsten Augenblick würde die Gasse verschwinden, und da wäre nichts als Sand, nichts als -
    Nein! Er war im Pfuhl. In einer kurzen Gasse. Fester Boden unter seinen Füßen. Steinerne Wände zu beiden Seiten. Teaser und der Bullendämon, die gleich hinter ihm liefen. Bekannte Gesichter, die nur ein paar Schritte entfernt auf ihn warteten. Nur ein paar Schritte entfernt. Nur -
    Sie brachen aus dem Durchgang hervor und wurden von der Menge aufgefangen.
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als Sebastian herumfuhr, taub gegenüber den Rufen und Fragen der Menschen und Dämonen um ihn herum.
    Beinahe wäre er in eine andere Landschaft gezogen worden. Die Gasse hätte sich beinahe in eine andere Landschaft verwandelt. In einen schrecklichen Ort … von dem er niemals hätte zurückkehren können.
    Die Gewissheit, dass in dieser anderen Landschaft etwas Grauenhaftes zugegen gewesen war, ließ seine Knie zittern.
    »Ich brauch was zum Trinken.« So sehnlich, wie er sie vorher hatte erreichen wollen, sehnte er sich jetzt danach, der Menge zu entfliehen, also bahnte er sich einen Weg durch die dicht gedrängt stehenden Körper und machte sich auf zu Philos Restaurant.
     Am anderen Ende der Gasse sah Er zu, wie die Menge dem Inkubus folgte, wie eine Herde verängstigter Schafe. Zu anderer Zeit wäre Er unter ihnen gewesen, als wohlhabender Herr mittleren Alters, der in den Pfuhl gekommen war, um sein Geld zu verspielen und sich mit den Frauen
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