Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sebastian

Sebastian

Titel: Sebastian
Autoren: Anne Bishop
Vom Netzwerk:

    …sie rannte durch eine endlose, rostfarbene Sandwüste, der Himmel über ihr hatte die ungesunde Farbe eines Blutergusses. Ihr Herz schlug heftig, sie rannte so schnell sie konnte, aber die Kreaturen hinter ihr kamen immer näher, näher.
    Wächter und Wahrer, wie war sie hierher gekommen? Gerade war sie noch auf den Torbogen zugelaufen. Dann hatte sie diese Bewegung gesehen, war gestolpert und …
    Sie rannte und rang nach Luft, die sich zu heiß anfühlte, um sie überhaupt zu atmen. Ihre Füße trafen auf endlosen Sand.
    Reise leichten Herzens. Alles was sie brauchte, war ein bisschen Zeit, um ihre Gedanken zu beruhigen, ihr  Gleichgewicht zu finden und die Resonanz des Zugangspunkts einer ihrer Landschaften aufzunehmen. Das würde sie zurück in ihren Garten in der Schule bringen. Dann wäre sie in Sicherheit. Dann könnte sie die anderen warnen, und -
    Mit einem Mal rutschte sie auf etwas aus, was unter dem Sand verborgen lag und kam aus dem Tritt. Sie warf die Arme in die Höhe, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, aber für diese kurze Verzögerung musste sie bezahlen. Sie fühlte, wie etwas ihre linke Wade zerfetzte, spürte, wie das Blut ihr Bein hinunterlief, als die Angst ihren Schritten noch einmal Flügel verlieh.
    Die Muskeln in ihrem linken Bein verkrampften sich. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Hände und das gesunde Knie. Nur einen Herzschlag später war sie wieder auf den Beinen, aber sie war nicht schnell genug. Die nächste Kreatur erreichte sie, schlitzte die Rückseite ihrer rechten Wade auf.
    Sie rannte weiter. Rannte und rannte, versuchte die Wunden zu ignorieren, das Blut, die Muskeln, die sich immer mehr verkrampften und den hektischen Befehlen ihrer Gedanken nicht länger gehorchen wollten.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie etwas Weißes, und sie drehte sich den Hügeln zu, ohne sich zu fragen, aus was sie bestanden oder warum sie sie nicht vorher schon gesehen hatte. Wenn sie sich auf einen von ihnen retten konnte, hätte sie vielleicht eine Chance, sich die Kreaturen lange genug vom Hals zu halten, um in ihren Garten in der Schule zurückkehren zu können.
    Sie kämpfte um jeden Schritt, aber als sie den Erhebungen näher kam, sah sie, wie sich aus den Hügeln eine Flut von chitinartigen, segmentierten Körpern ergoss. Sie versuchte, noch einmal die Richtung zu ändern, aber die Muskeln ihres linken Beines gehorchten ihr nicht mehr. Sie stolperte und konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Sie schrie vor Angst und Verzweiflung auf, drehte sich um und ergriff die Kreatur, die ihr am nächsten war und hob sie mit beiden Händen hoch.
    Eine Sekunde lang betrachtete sie den Kopf, die Kiefer, die Beine. Ihre Gedanken formten ein Wort: Ameise. Aber dieses Ding war so lang wie ihr Arm vom Ellbogen bis zu den Fingerspitzen. Mit einem Schrei schleuderte sie es auf die anderen, die ihr nachsetzten.
    Sie versuchte, davonzulaufen, aber ihre Beine versagten ihr den Dienst. Der Länge nach fiel sie in den Sand.
    Und schon waren sie über ihr, die Kreaturen, die sie gejagt hatten. Sie schrie, als ihre Kiefer Stücke aus ihrem Fleisch rissen, als ihr Blut den Sand durchnässte. Sie bäumte sich auf, versuchte die Kreaturen abzuschütteln, aber es waren bereits so viele, dass ihre Bemühungen nicht mehr hervorriefen, als ein leichtes Zucken unter dem Berg von glänzenden, schwarzen Körpern.
    Dann erstarben ihre Bewegungen und ihre Schreie verstummten.
    Als sie sich schließlich zurückzogen, die Arbeiter zu ihren Hügeln, die Späher zurück in die endlosen Weiten der Landschaft, war alles, was noch übrig war, ein dunkler, nasser Fleck im Sand, Stofffetzen und saubere Knochen.
     

Kapitel Drei
Gegenwart
    Den Pfennig fest umklammert, näherte Lynnea sich vorsichtig dem Wunschbrunnen. Zu dieser Zeit der Nacht war hier niemand außer ihr. Niemand würde sie hier sehen und es Mutter erzählen, die der Meinung war, Münzen in Wunschbrunnen zu werfen, sei nichts als Geldverschwendung. Und Mutter würde sehr böse werden, wenn sie auch nur ahnte, dass Lynnea sich etwas wünschte, was über das hinausging, was sie in Mutters Augen verdiente - Nahrung, zweckdienliche Kleidung und einen Platz zum Schlafen.
    Außerdem würde sie, wenn Mutter herausfände, dass sie zum Wunschbrunnen geschlichen war, erklären müssen, wie sie an die Münze gekommen war. Schließlich durfte sie gar kein Geld besitzen. Und weil Mutter ihre winzige Kammer mehrmals in der Woche durchsuchte, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher