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In der Gewalt der Banditen

In der Gewalt der Banditen

Titel: In der Gewalt der Banditen
Autoren: Cassandra Norton
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In der Hölle

    Wir alle saßen ganz still. Vierzig Wachspuppen in ihren hölzernen Schulbänken zusammengedrängt.
    Mr. Delacros Augen wanderten über unsere Gesichter. Wie immer hielt er in einer Hand die Tafelkreide und in der anderen den Rohrstock.
    Vierzig verängstigte Augenpaare in eingefallenen Gesichtern.
    Ich war neu in diesem Internat und daher waren meine Wangen nicht ganz so fahl und meine Blicke nicht ganz so fiebrig. Wesentlich älter als die anderen, wusste ich nicht, wieso man mich dennoch aufgenommen hatte.
    „Du!“ Seine spinnenbeinige Hand schoss nach vorne und wies direkt auf mich.
    Schlagartig verkrampfte sich alles in mir.
    In jeder anderen Klasse hätten in diesem Moment all jene aufgeatmet, an d e nen der Kelch vorbeigegangen war. Nicht so in diesem Fall.
    Keine der anwesenden Mädchen schien auch nur für eine Sekunde die Luft a n zuhalten.
    Mr. Delacro war unser Lehrer für alle Fächer außer Handarbeiten. Wie alt er war, vermochte ich nicht einzuschätzen, denn seine Magerkeit nahm seinem Gesicht jede Frische und seine Art, sich zu bewegen, war eher die eines alten Mannes.
    Wässrige Augen starrten mich an.
    „Nun?“
    So schnell ich konnte, sprang ich auf und versuchte, mich der Antwort zu eri n nern, die er hören wollte.
    „Ja?“, drängte er und schob sein strähniges, aschblondes Haar hinter ein Ohr, als könne er mich so besser hören.
    „Komm nach vorne!“, kommandierte er, nachdem ich ihm die Antwort schuldig geblieben war.
    „Schreib!“ Er drückte mir das Kreidestück in die Hand und berührte mich dabei in einer Art, dass es mir eisige Schauer über den Rücken jagte.
    Seine ebenso große , wie scharf geformte Nase kam mir dabei so nahe, dass ich jede Pore erkennen konnte.
    Meine Hand bebte und ich schämte mich dafür.
    „Schreib!“, wiederholte er. „ On ne sait rien que ca !“
    Panik stieg in mir hoch, hatte ich doch keinen blassen Schimmer, was diese Worte bedeuteten, geschweigedenn, wie man sie schrieb. In meinem ganzen Leben hatte ich noch kein Französisch gehabt und nun sollte ich eine solche Aufgabe meistern. Ein Kloß verschloss meine Kehle, Schweiß brach aus meiner Stirn.
    Meine Brust hob und senkte sich und ich wollte nur noch entkommen. Davo n laufen.
    „Was ist denn jetzt? On ne sait rien que ca … Also das wirst du doch wohl z u stande bringen.“
    Seine Stimme hatte einen Unterton, der mehr nach Verblüffung, denn nach Empörung klang.
    Mir wurde unendlich heiß. Gerade so, als glühte ich bereits in der Hölle.
    Und die Tränen, die jetzt über meine Wimpern traten, verbesserten meine Sit u ation auch nicht.
    „Du weinst? Ja? Du weinst?“, h errschte er mich kalt an. „ Gut, wenn du über deine eigene Dummheit noch zu weinen vermagst. Es ist unfassbar, welches Gesindel einem hier vor die Tafel gestellt wird. Ich schäme mich für dich … Für dich … Wie heißt du?“
    Ich befand mich in einem Strudel der Verzweiflung. Ich wollte es doch können. Warum behandelte er mich so?
    Irgendwo in meiner Panik und meinem Schrecken verstand ich, dass er mich nach meinem Namen gefragt hatte.
    „Georgiana“, sagte ich leise.
    „Georgiana, Sir !“, brüllte Delacro und seine Hand schlug mit solcher überfalla r tigen Plötzlichkeit gegen meine Wange, dass ich nicht einmal mehr den Versuch machen konnte, auszuweichen.
    Mein Schädel schien krachend zu explodieren. Mein Nacken wurde brutal g e staucht und mein Gesicht brannte, wie mit Säure übergossen.
    Ich wimmerte auf. Konnte es nicht verhindern. Dass es ein Fehler war, mich in meinen Schmerz zu ergeben, wusste ich, als ich in seine furiosen Augen blickte.
    „Ich dulde hier keine Jammerlappen!“, kreischte er mit sich überschlagender Stimme und nun traf mich ein weiterer Schlag. Seine Hand aber rutschte aus und riss stattdessen beinahe mein Ohr ab. Ich spürte, dass Blut an der Seite meines Halses herabzufließen begann.
    Schmerz und Schreck mischten sich und ich bekam kaum noch Luft vor Qual.
    Mein Körper wurde wie von einem heftigen Fieberanfall geschüttelt.
    „Bitte … Sir … Bitte …“, mehr konnte ich nicht sagen. Tränen schossen aus meinen Augen und überzogen mein Gesicht.
    Mein Haar hatte sich teilweise gelöst und klebte an meinen Wangen.
    „Du bettelst mich an, du kleines Dreckstück?“
    Aus dem Augenwinkel sah ich zu meinen Kameradinnen hin. Keine konnte mir helfen. In ihren Gesichtern sah ich für den Bruchteil eines Moments tiefste Hil f losigkeit und Verzweiflung, die
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