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SEAL Team 12: Bittere Vergangenheit (German Edition)

SEAL Team 12: Bittere Vergangenheit (German Edition)

Titel: SEAL Team 12: Bittere Vergangenheit (German Edition)
Autoren: Marliss Melton
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fit und konzentriert gewesen waren wie er. Aber selbst da hatte er bald gezeigt, was in ihm steckte, und sich von den anderen abgehoben.
    Das Geräusch einer zufallenden Tür riss Joe aus seinen elenden Gedanken. Er drehte das Wasser ab und griff nach dem Handtuch, das er sich um die Hüften schlang. Als er den Duschvorhang zur Seite zog und mitten zwischen den Spinden Chief Harlan – »Harley« – stehen sah, erstarrte er.
    Offenbar wollte der Mann mit ihm reden.
    Sean Harlan war nicht groß. Joe überragte ihn nicht nur, er stellte ihn buchstäblich in den Schatten. Doch bei den Special Operations hieß das nicht viel. Harley gab mit seinem athletischen Körper, der in einem frisch gestärkten Wüstentarnanzug steckte, dem glatt wie ein Babypopo rasierten Schädel, den blauen Augen und dem etwas schiefen und gewandten Mund, wenn er sprach, eine beeindruckende Erscheinung ab. Der Ausdruck in seinen Augen und der Zug um seinen Mund schlugen mitunter im Bruchteil einer Sekunde von herzlicher Belustigung in kalte Gleichgültigkeit um.
    Im Moment jedoch war seine Miene unergründlich, seine Gedanken ließen sich nicht erahnen.
    Seit Harleys Eintritt in die JSOTF besaß Joe größten Respekt vor ihm. Nach sechzehn Jahren Kampferfahrung wusste der Mann mehr über die Taktik, Technik, Vorgehensweise, Bewaffnung und Einsatzplanung der SEAL s als jeder andere Angehörige der Spezialeinheit, den Joe kannte – sich selbst nicht ausgenommen.
    Joe grüßte ihn mit einem Nicken. »Chief.« Eigentlich hatte Harley den Einsatz leiten sollen, doch als dieser hohes Fieber bekam, hatte sich Joe in letzter Minute dazu entschieden, dessen Aufgabe zu übernehmen, statt die Aufklärungsmission zu verschieben, für die ihnen ohnehin nur ein enges Zeitfenster zur Verfügung stand.
    Harley blickte auf Joes Verband. »Sir.« Dann musterte er Joes Gestalt mit seinen blauen Augen, so als suchte er nach sichtbaren Beweisen für seine Mühen.
    Joe hatte fünfzehn Pfund Gewicht verloren, seine Wangen waren eingefallen und sonnenverbrannt, die Lippen warfen Blasen und er hatte geschwollene Hände und Füße.
    Als Harley ihm schließlich in die Augen sah, ließ der grimmige Zug um seinen Mund durchaus auf Mitgefühl schließen. »Ich bin froh, dass Sie es geschafft haben, Sir«, sagte er schroff.
    Joe fühlte eine unsichtbare Schlinge um den Hals. »Danke«, brachte er heraus.
    »Berichten Sie mir, was passiert ist«, verlangte Harley mit vor Emotionen rauer Stimme, in der zu Joes Entsetzen etwas Vorwurfsvolles mitschwang. Die hellblauen Augen des Chiefs glänzten feucht, die Hände ballte er an seinen Seiten zu Fäusten. »Das waren meine Jungs«, fügte er hinzu. »Ich bin für sie verantwortlich gewesen.«
    Angesichts der Möglichkeit, dass Harley ihm die Schuld an dem Vorfall geben könnte, trat Joe der kalte Schweiß aus den Poren. »Auf einmal ging alles schief«, versuchte er sich zu verteidigen. »Wir wurden entdeckt und gerieten in ein Feuergefecht mit ungefähr hundert von denen. Das Kanonenboot war nirgends in Sicht. Nikko wurde getroffen und stürzte, wir mussten ihn schnell da rausschaffen. Die Tangos hatten Granatwerfer, uns ging die Munition aus.« Er konnte unmöglich aufzählen, was alles zu ihrem Nachteil gelaufen war.
    Doch Harley schüttelte den Kopf. Offenbar genügten ihm alle diese Gründe nicht. »Ich hätte bei ihnen sein müssen«, beharrte er.
    »Sie waren krank«, rief Joe ihm ins Gedächtnis. Gleichzeitig fragte er sich, ob es ein Fehler gewesen war, Harleys Position zu übernehmen. Wäre alles anders gekommen, wenn er noch ein, zwei Tage zugewartet oder Harlan mit Fieber in den Einsatz geschickt hätte?
    »Ich wollte nicht, dass Sie meine Aufgabe übernehmen«, erinnerte Harley ihn. »Ich hätte den Einsatz selbst leiten können. Fieber hin oder her.«
    Joe fühlte sich benommen und stellte sich für einen festeren Stand breitbeiniger hin. Er war sicher gewesen, dass er das Richtige tat. Es befanden sich Truppen im Kampf, die auf die Ergebnisse der Mission warteten. Aber was, wenn er unbewusst auf einen letzten Einsatz aus gewesen war? »Unter Ihrem Kommando wäre es auch nicht anders gekommen.«
    »Kann sein«, räumte Harley ein, »aber das waren meine Männer.«
    Joes Knie zitterten. Vielleicht gab Harley ihm ja gar nicht die Schuld. Vielleicht versuchte er nur genauso wie Joe, die unbegreifliche Tatsache zu verarbeiten, dass die Soldaten, mit denen sie Trainings absolviert, mit denen sie gegessen, ihre
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