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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens
Autoren: Steven Ericson
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er seinen Körper zerstückeln. Das, so begriff Trull jetzt, das war Rhulad. Das Kind und sein viehischer Hunger, seine bösartigen Gelüste. Sag uns, bist du so selbstsüchtig?
    »Sie gehört dir, Imperator.«
    Worte, aus denen jegliches Leben gewichen war, Worte, die in sich selbst ein Geschenk an jemanden waren, der den Tod kennen gelernt hatte. Wobei Rhulad allerdings nicht über den feinsinnigen Verstand verfügte, das zu begreifen.
    Stattdessen verzog sich sein Gesicht unter den Münzen zu einem breiten, schadenfrohen Lächeln. Seine Blicke wanderten zu der Stelle in der Menge, an der die unverheirateten Maiden standen. »Mayen«, rief er. »Es ist geschehen. Komm her. Komm zu deinem Imperator.«
    Groß und königlich trat die junge Frau vor, als hätte sie diesen Augenblick schon tausend Mal durchgespielt.
    Aber das ist nicht möglich.
    Sie warf Forcht im Vorbeigehen nicht einen Blick zu und blieb schließlich, das Gesicht auf die Menge gerichtet, links vom Stuhl stehen. Rhulad streckte auf eine Weise, die gleichermaßen selbstgefällig wie vertraulich war, die Hand aus, und sie ergriff sie.
    Diese letzte Geste traf Forcht wie ein wirklicher Hieb gegen die Brust. Er wich einen Schritt zurück.
    »Ich danke dir für dein Geschenk, Forcht«, sagte Rhulad. »Ich bin mir deiner Loyalität gewiss und stolz darauf, dich meinen Bruder zu nennen. Du, Binadas, Midik Buhn, Theradas Buhn, Hannan Mosag … und«, sein Blick veränderte sich, »Trull natürlich. Meine engsten Brüder. Wir sind durch das Blut unserer Vorfahren aneinander gebunden …«
    Er sprach weiter, doch Trull hörte nicht mehr zu. Seine Augen waren auf Mayens Gesicht gerichtet. Auf das Entsetzen, das dort geschrieben stand, und das sie nicht verbergen konnte. In Gedanken schrie Trull laut auf. Forcht! Sieh doch, mein Bruder! Sie wollte diesen Verrat nicht! Sieh doch!
    Mit einiger Anstrengung wandte er den Blick von Mayen ab und sah, dass Forcht es auch gesehen hatte. Dass er gesehen hatte, was auch alle Anwesenden sehen konnten – alle außer Rhulad.
    Es rettete sie alle. Erlösung für die Verzweifelten. Sie zeigte ihnen, dass manche Wahrheiten nicht zerstört werden konnten, dass selbst dieses wahnsinnige Ding auf seinem Thron die den Tiste Edur innewohnende Ehre nicht zermalmen konnte. Und in ihrem Gesicht stand noch ein anderes Versprechen. Sie würde seine Übeltaten erdulden, weil sie keine andere Wahl hatte. Ein Versprechen, das zugleich auch eine Lektion für alle Anwesenden war. Haltet aus. Erduldet. Lebt, wie ihr jetzt leben müsst. Eines Tages wird darauf reagiert werden.
    Doch in Trull stiegen neue Fragen auf. Wer konnte darauf reagieren? Was wartete in der Welt jenseits der Grenzen ihres Wissens, das ausreichend ungeheuerlich war, um diese Monstrosität herauszufordern? Und wie lange würden sie warten müssen? Wir waren ein gefallenes Volk, und der Imperator verkündet, dass wir wieder emporsteigen werden. Er ist wahnsinnig, denn wir steigen nicht empor. Wir fallen – und ich fürchte, dieser Abstieg wird kein Ende finden.
    Bis jemand auf die richtige Weise reagieren würde.
    Rhulad hatte aufgehört zu sprechen, als sei ihm bewusst geworden, dass unter seinen Anhängern etwas vor sich ging – etwas, das nichts mit ihm und seiner neugefundenen Macht zu tun hatte. Plötzlich erhob er sich von seinem Stuhl. »Diese Versammlung ist beendet. Hannan Mosag, du und deine K’risnan, ihr werdet hier bei mir und der Imperatrix bleiben, denn wir haben viel zu besprechen. Udinaas, bring Mayen ihre Sklaven, damit für ihre Bedürfnisse gesorgt wird. Ihr anderen – geht jetzt. Verkündet die Neuigkeit vom Aufstieg des neuen Imperiums der Edur. Und jetzt kümmert euch um eure Waffen, meine Brüder und Schwestern …«
    Oh bitte – möge doch bitte irgendjemand auf das hier reagieren.
     
    Ein Dutzend Schritte von der Zitadelle entfernt schälte sich eine Gestalt aus dem Regen und stand schließlich vor Udinaas.
    Die Freisprecherin.
    »Was hat er getan?«
    Udinaas musterte sie ein, zwei Herzschläge lang, dann zuckte er die Schultern. »Er hat seinem Bruder die Verlobte gestohlen. Wir haben jetzt eine Imperatrix, und sie tut sich schwer damit, ein tapferes Gesicht zu machen.«
    »Die Edur sind überwältigt worden«, sagte Seren Pedac. »Und ein Tyrann sitzt auf dem Thron.«
    Udinaas zögerte kurz und meinte schließlich: »Sagt dies dem Ersten Eunuchen: Ihr müsst Euch auf einen Krieg vorbereiten.«
    Sie zeigte sich bei seinen Worten nicht
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