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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens
Autoren: Steven Ericson
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gewesen?«, fragte Forcht.
    Rhulads Antwort bestand in einem Lachen, einem brutalen Lachen. Er schwang das Schwert durch die Luft, drehte die Klinge in einem wilden Gruß und offenbarte dabei eine Anmut im Umgang mit der Waffe, die Trull noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. »Unsere Vorfahren! Stolze Geister. Sie standen zu Zehntausenden da. Brüllten mir ihr Willkommen entgegen! Ich war ein gebluteter Verwandter, war würdig, mich zu ihnen zu gesellen, um unsere kostbaren Erinnerungen zu verteidigen. Gegen dieses Übermaß an Gleichgültigkeit. Oh ja, Forcht, es war eine so ruhmreiche Zeit.«
    »Ich höre in deinem Tonfall, dass du alles ablehnst, was uns teuer ist, Rhulad. Du würdest unsere Überzeugungen leugnen …«
    »Und wer von euch kann mir widersprechen?«
    »Die Schattengespenster …«
    »Sind Tiste Andii, mein Bruder. Sklaven unseres Willens. Und eines will ich dir sagen: Diejenigen, die uns dienen, sind durch unsere Hand gestorben.«
    »Und wo sind dann unsere Vorfahren?«
    »Wo?« Rhulads Stimme war kaum noch ein Krächzen. »Tja, wo? Nirgendwo, mein Bruder. Sie sind nirgendwo. Unsere Seelen fliehen aus unseren Körpern, fliehen von dieser Welt, denn wir gehören nicht hierher. Wir haben niemals hierher gehört.«
    »Dann wirst du uns also nach Hause führen, Rhulad?«
    Die Augen blitzten auf. »Du bist weise, mein Bruder. Ich wusste, dass du die Antwort als Erster finden würdest.«
    »Und warum verlangst du von uns, dass wir vor dir niederknien?«
    Rhulad neigte den Kopf zur Seite. »Ich möchte, dass ihr euch dieser neuen Bestimmung verpflichtet. Einer Bestimmung, der ich die Tiste Edur entgegenführen werde.«
    »Du wirst uns nach Hause bringen.«
    »Das werde ich.«
    Forcht trat vor, sank auf ein Knie und beugte den Kopf. »Führe uns nach Hause, Imperator.«
    In seinem Geist hörte Trull ein Geräusch.
    Wie ein Rückgrat, das bricht.
    Und er drehte sich wie so viele andere um und sah Hannan Mosag und seinen Kader aus Zauberern, wurde Zeuge, wie der Hexenkönig von seinem Podest heruntertrat. Sah zu, wie er vor Rhulad niederkniete, vor dem Imperator der Tiste Edur.
    Wie ein Rückgrat, das bricht.
     
    Das Wasser zerrte an seinen Schienbeinen und wirbelte um taub gewordenes Fleisch, so dass Udinaas Mühe hatte, stehen zu bleiben. Die Wellen brachten ihn ins Wanken, wenn sie gegen ihn stießen. Und draußen in der Bucht – Schiffe. Insgesamt vier, die sich durch den Nebel schoben, ihre dunklen Rümpfe krochen wie wandernde Leviathane über das graue Wasser, lange Ruder krabbelten durch die Dünung. Er konnte ein vielfältiges gedämpftes Knarren hören und das Platschen der hölzernen Ruderblätter im Wasser. Sah auf den Decks in Kapuzenumhänge gehüllte Gestalten, die durch die Entfernung klein wirkten. Die Delegation war eingetroffen.
    Er fühlte sich, als stünde er auf Nägeln aus Eis, deren zackige Spitzen bis zu seinen Knien getrieben worden waren. Er glaubte nicht, dass er in der Lage sein würde zu gehen. Tatsächlich stand er kurz davor umzufallen, vornüber in das schäumende Wasser zu stürzen. Es wäre so leicht – die Unterströmung würde ihn hinausziehen, Kälte seine Lunge fluten, Schwärze durch seinen Verstand strömen. Bis es, in vollkommener Übereinstimmung mit seiner Bereitschaft aufzugeben, vorbei sein würde.
    Klauen gruben sich in seine Schultern, rissen ihn zappelnd aus den Wogen. Krallen drangen durch seinen Regenumhang und bohrten sich in sein Fleisch. Zu verblüfft, um zu schreien, spürte er, wie er durch die Luft getragen wurde. Seine Beine zuckten hilflos in einem Sprühnebel aus Wasser.
    Und dann wurde er fünfzehn Schritt oberhalb der Flutlinie auf eine Schicht nasser Steine geworfen.
    Was auch immer ihn aus dem Wasser gezogen hatte, war fort, auch wenn seine Brust und die Stellen, an denen die Krallen ihn gepackt gehabt hatten, immer noch wie Feuer brannten. In merkwürdiger Hilflosigkeit strampelnd drehte Udinaas sich schließlich um, so dass er auf dem Rücken lag, und starrte zum farblosen Himmel hinauf. Der Regen prasselte auf sein Gesicht.
    Locqui Wyrm. Ich nehme an, du wolltest nicht, dass ich sterbe.
    Er hob einen Arm und befühlte den Stoff des Regenumhangs. Keine Löcher. Gut. Er hätte auch nicht gewusst, wie er das hätte erklären sollen.
    Das Gefühl kehrte in seine Unterschenkel zurück. Nass und zitternd rappelte er sich auf Hände und Knie auf. Was Rhulad betraf, so konnte es für ihn keine Lösung geben – so einfach war das. Der Hexenkönig
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