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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten
Autoren: Steven Erikson
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flüsterte er. »Nein, das frage ich mich nicht.«
     
    Karsa Orlong hatte die alte Küstenstraße schon längst hinter sich gelassen, und noch immer lenkte er Havok am Ufer des neuen Binnenmeers entlang gen Norden. Regenwolken hingen im Osten über dem trüben Wasser, doch der Wind verjagte sie.
    Er musterte den Himmel einen Moment lang, zügelte dann auf einem sanft ansteigenden, mit Felsbrocken übersäten Hang sein Pferd und rutschte von Havoks Rücken. Der Teblor ging zu einem großen flachen Felsen, machte im Gehen sein Schwert los und lehnte es dann mit der Spitze nach unten an einen nahen Felsblock. Dann setzte er sich hin. Er nahm seinen Packsack ab und wühlte in einer der Außentaschen herum, bis er etwas gepökeltes Bhederin-Fleisch, ein paar getrocknete Früchte und ein Stück Ziegenkäse gefunden hatte.
    Er starrte über das Wasser und aß. Als er fertig war, öffnete er die Verschnürung des Packsacks und zog die zerbrochenen Überreste der T’lan Imass heraus. Er hielt sie hoch, so dass ’Siballes verwittertes Gesicht hinaus auf die Wellen blicken konnte.
    »Sag mir, was du siehst«, sagte Karsa.
    »Meine Vergangenheit.« Sie schwieg einen Augenblick. »Alles, was ich verloren habe.«
    Der Teblor lockerte seinen Griff, und der Teilkörper fiel in einer Staubwolke in sich zusammen. Karsa fand seinen Wasserschlauch und trank ausgiebig. Dann starrte er auf ’Siballe hinunter. »Du hast einmal gesagt, dass deine Seele befreit wird, wenn du ins Meer geworfen wirst. Dass dann das Vergessen über dich kommen würde. Stimmt das?«
    »Ja.«
    Mit einer Hand hob er sie hoch, stand auf und trat ans Ufer des Meeres.
    »Warte! Teblor, warte! Ich verstehe nicht!«
    Karsas Gesichtsausdruck wurde bitter. »Als ich diese Reise begonnen habe, war ich jung. Ich habe nur an eines geglaubt. An den Ruhm. Jetzt weiß ich, dass Ruhm nichts ist, ’Siballe. Nichts. Das habe ich jetzt verstanden.«
    »Und was verstehst du jetzt sonst noch, Karsa Orlong?«
    »Nicht viel. Nur noch eines. Das Gleiche gilt nicht für Barmherzigkeit.« Er hob sie höher und warf ihren Körper in hohem Bogen weg.
    Er fiel an einer Stelle ins Wasser, wo es noch flach war, und verwandelte sich in einen schlammigen Fleck, den die Wellen rasch auflösten.
    Karsa drehte sich um und blickte sein Steinschwert an. Dann lächelte er. »Ja, ich bin Karsa Orlong von den Uryd. Ein Teblor. Seid meine Zeugen, meine Brüder. Eines Tages werde ich würdig sein, solche wie euch anzuführen. Seid meine Zeugen.«
    Das Schwert wieder auf den Rücken geschwungen und auf dem kräftigen Rumpf von Havok sitzend, ritt der Toblakai vom Ufer weg. Nach Westen, in die Ödlande.

Epilog
     
    Und nun sitze ich hier,
    auf meinem Kopf ein Diadem aus Feuer,
    und dieses Königreich,
    über das ich herrsche,
    ist nichts weiter als der Haufen
    Erinnerungen meines Lebens,
    unregierbare Untertanen,
    so begierig auf einen Aufstand,
    um den alten Mann
    von seinem verkohlten Thron zu stoßen
    und jüngere Versionen
    eine nach der anderen
    großzuziehen.
     
    Die Krone der Jahre
            Fisher kel Tath
     
    G
    anz gleich, welche Maßstäbe man anlegte – sie war eine grimmige Frau.
    Onrack der Zerbrochene sah sie in der Mitte des Zimmers stehen und einen scharfen, abschätzenden Blick auf die Aufstellung ihrer jungen Mördertruppe werfen. Die Grimasse, die ihre ansehnlichen Züge verzerrte, deutete darauf hin, dass sie nichts Verkehrtes gefunden hatte. Schließlich fiel ihr Blick auf Trull Sengar, den Tiste Edur, und ihr Gesichtsausdruck wurde deutlich finsterer.
    »Müssen wir jetzt, da du hier bist, auch auf unseren Rücken aufpassen?«
    Trull Sengar, der auf dem grob behauenen Fußboden saß, den Rücken gegen eine gleichermaßen raue Wand gelehnt, zuckte die Schultern. »Ich sehe keine einfache Möglichkeit, wie ich Euch davon überzeugen könnte, dass ich Euer Vertrauen verdiene, Minala. Abgesehen davon, dass ich Euch meine lange und ziemlich unerfreuliche Geschichte erzähle.«
    »Erspar mir das«, knurrte sie und ging aus dem Zimmer.
    Trull Sengar warf Onrack einen Blick zu und grinste. »Niemand will sie hören. Nun, das überrascht mich nicht. Und es verletzt mich auch nicht. Es ist eine ziemlich schmutzige Geschichte – «
    »Ich werde mir deine Geschichte anhören«, erwiderte Onrack.
    In der Nähe des Eingangs stand Ibra Gholan, dessen Hals vernehmlich knirschte, als er über eine Schulter nach hinten blickte, um Onrack einen Moment anzublicken, bevor er seine
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